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BeitragVerfasst: 16.09.2005 - 15:10 
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Genovai

Ich schritt ungeduldig auf und ab und starrte immer wieder auf die Tür. Einige Zuschauer hatten den Saal verlassen, weil die geheimen Beratungen so lange dauerten, andere waren geblieben und tuschelten leise miteinander. Ich war mir ziemlich sicher, dass sich ihre Gespräche um mich drehten. Einige sahen mich als Unheilsbringerin, die den Frieden störte, andere als Retterin. Dann endlich öffnete sich die Türe und die Ratsmitglieder gingen zum Tisch zurück. Sie blieben stehen und der Sitzungsleiter Jurgon forderte zur Ruhe auf. Gespannt warteten alle auf die Verkündigung der Entscheidung. „Nach genauester Überlegung und Beratung hat sich der Rat entschieden, den Vorschlag von Naylor in die Tat umzusetzen. Wir werden noch heute die Leute aussuchen, welche auf den Feldzug gegen Grendan gehen sollen.“ Die Menge brach in Jubel aus, denn auch sie hatte der Kampfesgeist erfasst. Ich rannte glücklich zu Naylor, umarmte und gratulierte ihm. Ich war mir ziemlich sicher, dass er den Rat zu dieser Entscheidung gebracht hatte, indem er ihnen von der anderen Möglichkeit erzählt hatte. Das Wichtigste war aber, dass wir es geschafft hatten. Jetzt konnte der Kampf beginnen!
Ich beruhigte mich wieder und sah nun zu, wie der Rat die Beratungen über die Auswahl der Ekkaia, wie sie die Rebellentruppe genannt hatten, aufnahm. Nachdem eine Gruppe von hundert Leuten aufgestellt worden war, meldete ich mich noch einmal zu Wort. „Ich möchte als diejenige, welche auf diese Idee gekommen ist, auch ein Mitglied der Rebellentruppe sein!“ Naylor sah mich erstaunt an und meinte:„Glaubt Ihr wirklich das dass eine gute Idee ist? Ihr müsst Euch nicht verpflichtet fühlen; Ihr könnt auch hier bleiben.“ „Ich möchte aber gehen, Naylor. Wenn ich hier bleibe, werde ich mich nur langweilen und vor Spannung ob der Ergebnisse ziemlich nervös werden. Ich werde vor der Aufbruch der Truppe Bogenschießen lernen und kann anderen den Umgang mit dem Jagddolch beibringen. Ihr seht also, dass ich eine gute Hilfe für die Truppen bin.“ „Wenn Ihr es wünscht, dann werden wir Euch nicht davon abhalten“, sagte Jurgon anstelle von Naylor. Ich musste innerlich lächeln, denn mir schien als ob sich Jurgon in meiner Gegenwart unwohl fühlte und mich loswerden wollte. Ich bedankte mich bei allen und machte mich mit all den Männern, die zur Rebellentruppe gehörten auf den Weg, um ein Trainingslager aufzubauen, indem wir einige Wochen kämpfen lernen und Pläne schmieden wollten, bevor wir loszogen.
Ich lebte auch weiterhin bei Naylors Familie und ging jeden Morgen zu dem Trainingslager, um dort zu lernen und zu lehren. Die übrigen Männer aus der Ekkaia behandelten mich bald mit gebührendem Respekt, als sie sahen wie ich mit dem Jagddolch kämpfen konnte und wie gut ich mich beim Bogenschießen anstellte.
So ging es fünf Wochen, dann begannen wir die Pläne zu schmieden und machten uns fertig für unseren Zug. Wir teilten uns in mehrere kleinere Gruppen auf, die alle ein Dorf aufsuchen sollten, um dort den Grendantempel in Flammen zu stecken, einzureißen, die Priester zu töten und die Statuen zu zerstören. Dann war alles fertig und wir zogen los, verabschiedet mit Glückwünschen und Gebeten. Ich war ziemlich aufgeregt und konnte kaum fassen, dass ich an diesem Kampf teilnahm. Meine Truppe würde sich zuerst ein Dorf das Freydan hieß vornehmen und dann weitere Dörfer aufsuchen.
Während unsere Truppe nach Freydan marschierte, machte ich mir viele Gedanken. Ich fühlte mich etwas unwohl dabei die Leute so sehr zu verschrecken und möglicherweise gezwungen sein zu müssen Priester oder Regierungsbeamte zu töten. Schon jetzt fürchtete diesen Moment, meines ersten Mordes. Dann, als wir am Abend nur noch eine Meile von Freydan entfernt waren, rasteten wir und warteten bis vollkommene Ruhe über dem Dorf lag. Wir stürmten in das Dorf, bewaffnet mit brennenden Fackeln und einigen Werkzeugen, die uns beim niederreißen der Mauern und Statuen helfen sollten. Mit unserer Truppe aus fünfundzwanzig geübten Leuten schafften wir es ziemlich schnell die Mauern des Tempels zum Einsturz zu bringen und die Statuen zu schänden. Ich sah auch wie Männer in den vorderen Reihen auf die Priester losgingen und sie umbrachten. Inzwischen hatten sich einige Bürger vor ihren Häusern versammelt und starrten entsetzt auf das Inferno. Ich baute mit einigen anderen ein Podest auf dem ich mich dann posierte und wartete bis etwas Ruhe eingekehrt war. Dann begann ich mit lauter Stimme zu sprechen: „Bürger dieses Dorfes, hört mich an! Wir haben den Tempel zerstört, die Priester getötet und die Statuen geschändet, doch Grendan lässt seinen Zorn nicht auf uns niederfahren! Gibt es ihn wirklich, frage ich euch!? Wenn es ihn gäbe, müsste er nicht jetzt seine Macht walten lassen?! Ich sage euch, dass der König diesen Gott erfunden hat, um euch zu knechten und zu binden! Wenn ihr nicht weiterhin diese grausame Herrschaft ertragen wollt, schließt euch uns an und kämpft für ein gerechtes gutes Leben!“ Einige schienen wirklich gewillt zu sein mit uns zu kommen und zogen sich rasch um, andere zogen sich in ihre Häuser zurück und kamen nicht wieder heraus. Als wir das Dorf wieder verließen, zählten wir etwa zwanzig Neuzugänger. Das waren weniger als wir erhofft hatten, aber immerhin einige.
Und so verfuhren wir mit vielen anderen Dörfern und immer wieder schlossen sich uns neue Leute an. Von einigen Boten erhielten wir die Nachricht, dass auch die anderen Truppen gut vorankamen. Inzwischen waren wir überall bekannt und mussten etwas vorsichtiger sein. Einige Bürger kamen mit Mistgabeln oder langen Stöcken, um uns entgegenzutreten und teilweise waren wir auch schon Regierungsbeamten begegnet. Gefahr hatte bisher noch keine bestanden, aber vorsichtig mussten wir trotzdem sein. Dann nach etwa vier Wochen Kampf und immer mehr Anhängern, die sich uns anschlossen, kamen wir in eine Kleinstadt ohne Befestigungen an und standen vor einer wirklich großen Herausforderung. Hier würden wir garantiert mit Regierungsbeamten und ernsthaft bewaffneten Bürgern zusammenstoßen. Ein Überraschungsangriff bot die einzige gute Möglichkeit, so viel Unheil im Grendantempel wie möglich anzurichten. Und so stürmten wir die Stadt in der Morgendämmerung und begannen mit der Zerstörung. Doch dann läuteten die Alarmglocken, die Regierungsbeamten tauchten auf und der Kampf begann. Behände kletterte ich zusammen mit drei weiteren Bogenschützen auf ein niedriges Gebäude, von wo wir einen guten Überblick hatten und gut auf den Feind zielen und schießen konnten. Konzentriert legte ich einen Pfeil an, spannte den Bogen, zielte auf einen Soldaten und schoss. Ich sah wie der Mann zu Boden ging und spürte die Erkenntnis in mir aufkeimen. Ich hatte ihn verletzt oder sogar getötet und das war nicht schön, aber nötig. Doch trotz unserer großen Bemühungen die Soldaten zurückzudrängen, gewannen diese immer mehr die Oberhand und ich erkannte, dass wir in ernster Gefahr waren. Ich rief mit möglichst lauter Stimme zum Rückzug auf und sah auch, dass einige flüchteten, andere aber immer noch blieben. Ich wollte nicht, dass so viele starben und sprang von dem Dach, um zu meinen Leuten zu rennen und sie zum Rückzug aufzufordern. Kaum war ich in die Menge eingedrungen, wurde ich von einem Soldaten konfrontiert, der mit seinem Schwert herumfuchtelte. Geschickt duckte ich mich unter den Hieben weg, zog meinen Dolch und verletzte ihn damit schnell an der Schulter, als er kurz seine Deckung vergaß. Der Soldat taumelte und ließ von mir ab. Ich atmete schwer und versuchte in dem Durcheinander nach meinen Kameraden zu suchen. Immer wieder wurde ich in kleinere Kämpfe verwickelt, die ich so gut wie unbeschadet überstand. Wann immer ich Kameraden sah, forderte ich sie zum Rückzug auf und bewegte mich auch langsam heraus aus dem Stadtzentrum. Dann stand ich auf einmal einem ziemlich großen Soldaten vor mir und griff mich an. Er war zum Glück nur noch mit einem Dolch bewaffnet, der allerdings ziemlich groß war. Ich versuchte durch meine Schnelligkeit und Wendigkeit zu entkommen, als er plötzlich einen Schwachpunkt bei mir entdeckte und seinen Dolch in meine so gut wie ungeschützte Schulter rammte. Ich schrie laut auf, schaffte es gerade noch ihn ebenfalls zu verletzen und rannte dann so schnell wie möglich weg. Etwa zwei Meilen von der Stadt entfernt hatte sich unsere Truppe versammelt und ruhte sich aus. Die Regierungssoldaten verfolgten uns zum Glück nicht; sie hatten wahrscheinlich genug zu tun. Erschöpft ließ ich mich zu Boden fallen und betrachtete die Wunde. Sie war zum Glück nicht allzu tief, tat aber ziemlich weh. Dennoch stand ich nach kurzem wieder auf und schaute mich um. Wir hatten große Verluste erlitten und viele Verletzte zu beklagen. Ich ging zu der provisorischen Versorgungsstation und ließ meine Wunde behandeln. Trotz der Erschöpfung und den Verletzungen mussten wir uns bald wieder auf den Weg machen, um nicht zu riskieren, dass die Soldaten uns doch noch verfolgen würden. Verletzte und Tote so gut wie möglich mit uns schleppend machten wir uns auf in Richtung Tengolu. Diese Niederlage mussten wir erst einmal verkraften und neue Kräfte aufbauen. Aber vielleicht würde der Rat nach diesen schlechten Ergebnissen entscheiden den Kampf aufzugeben und den zweiten Weg wählen. Dann würden alle Mühen umsonst gewesen sein...

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BeitragVerfasst: 17.09.2005 - 11:23 
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Bald musste auch ich auf einer Bahre transportiert werden, weil meine Kräfte immer mehr abnahmen und ich an starkem Fieber litt. Später sagte man mir, dass man große Angst um mich gehabt hatte, weil es so ausgesehen hatte als würde ich sterben, aber davon habe ich nichts gemerkt. In Tengolu angekommen, hatte man mich liebevoll umsorgt und die Wunde versorgt. Eine Woche später war ich wieder auf den Beinen, mit verbundener Schulter und einem schlechten Gewissen. Die anderen Truppen waren noch nicht wieder zurückgekehrt und wir hatten auch keine Nachrichten bekommen wie der Stand der Dinge war. Zum Glück machte mir niemand Vorwürfe; alle warteten auf das Gesamtergebnis der Aktion. Naylor hatte mich wiederholt auf die zweite Möglichkeit angesprochen und ich hatte ihn gefragt, ob er sein Land denn ohne weiteres verlassen könnte. Das hatte ihm zu denken gegeben und seitdem ließ er mich in Frieden. Ich war in einer lethargischen Stimmung und machte mir ständig Vorwürfe über meine dumme Idee. Als eine Woche ohne eine ankommende Nachricht vergangen war, rief ich den Rat zusammen und fragte sie nach ihren Wünschen für ihre neue Heimat. Natürlich wollten sie ein möglichst ähnliches Land haben. Besonders glücklich schienen sie aber nicht über diese feige Lösung zu sein. Viele waren noch immer kampfeslustig und wollten ihre Kräfte neu sammeln und dann weitere Angriffe starten. Ich dagegen war inzwischen der Meinung, dass es besser war zu gehen. Ich begann noch am selben Tag mit einem neuen Buch, dass die neue Heimat der Menschen aus Tengolu sein sollte.
Dann eines Morgens, zwei Wochen nach meiner Entscheidung, gab es plötzlich einen Aufruhr in den Straßen. Verwundert lief ich nach draußen, um zu sehen was los war. Meine Augen weiteten sich vor Erstaunen ob der Dinge, die ich sah. Die restlichen Truppen trafen gerade in der Stadt ein und wurden stürmisch begrüßt. Besonders erstaunlich war aber die Menge dahinter. Zehntausende Bürger aus Städten und Dörfern hatten sich den Rebellen angeschlossen und kamen nun hierher, um sich auf den Sturz des Königs vorzubereiten. Jubel brach aus und die Menschen schöpften wieder neue Hoffnung. Meine Entscheidung wurde zurückgenommen, der Rat begann alles zu regeln und die Menschen begannen zu lernen, wie man kämpfte und zerstörte. Unser Plan sah nun so aus, dass wir am Tag der Grendanfeier in Vokandara sein wollten und so tun wollten, als wären wir eine Pilgerschaft. Dann würden wir im richtigen Moment, wenn der König aus seinem Schloss trat und das Tor dorthin offen war, zum Angriff aufrufen, den Tempel zerstören, die Priester und Regierungssoldaten und töten den König gefangen nehmen. Dann würden wir ein neues, gerechtes, gutes Reich aufbauen und alle würden glücklich sein!
Wir rechneten aus, wie lange wir zum Training brauchten und wie lange bis wir in Vokandara angekommen waren. Nach sechs Monaten sahen wir uns in der Lage gut zu kämpfen, wenn es nötig war und zogen los. Aufgrund der großen Menge und der Dinge, welche wir transportierten, dauerte es weitere fünf Monate bis wir vor den Mauern von Vokandara angekommen waren. Wir kamen gerade rechtzeitig am Tag des Festes an, passierten die Stadttore und stellten uns zu den anderen, die schon da waren, vor den großen Tempel. An den Straßenrändern boten Wirtsfrauen Essen und Trinken an und es herrschte eine sehr festliche Stimmung. Dann erschallte von irgendwoher ein Gong und es wurde still. Die Menge teilte sich als eine Prozession aus Priestern eine sitzende Grendanstatue aus dem Tempel trug und durch die Menge führte. Dabei rezitierten sie die Gesetze des Grendan, welche alle warnen sollten zu gehorchen. Sie führten die Statue zu dem Platz vor dem Königsschloss und stellten sie ab. Dann öffneten sich die Tore zum Schlosshof und der König trat auf den Platz hinaus, gekleidet in kostbare Gewänder und geschmückt mit wertvollen Juwelen. In diesem Moment holten wir unsere Signalhörner heraus und bliesen hinein. Sofort entstand ein reges Gedränge in der Menge, die sich in zwei große Gruppen aufgeteilt hatte. Die eine schob sich zu dem Tempel durch und begann mit der Zerstörung, die zweite Gruppe stürzte sich auf die Soldaten des Königs und die Priester. Von den genauen Einzelheiten bekam ich nichts mit. Ich war mitten in der Menge und alles schien an mir vorbeizuziehen ohne das ich viel mitbekam. Der Überraschungsangriff war geglückt. Schon nach kurzer Zeit wurde klar, dass die Soldaten keine Chance hatten. Die übrigen nicht zur Truppe gehörenden Bürger ließen nun auch ihrer Unzufriedenheit freien Lauf und halfen uns so gut sie konnten. Dann gab es auf einmal ein großes Krachen und eine Staubwolke breitete sich aus. Ich drehte mich zu dem Tempel um und sah, dass er nicht mehr stand. Die Zerstörer hatten ganze Arbeit geleistet. Die Soldaten zogen sich immer mehr zurück und flüchteten schließlich. Nur einige wenige blieben treu bei ihrem König und stellten sich schützend um ihn. Ruhe war in das Chaos eingekehrt und nun war es Zeit dem Kampf ein Ende zu machen. Ich blies in mein Horn, worauf alle Kämpfe abgebrochen wurden. Dann wandte ich mich an den König, der zwischen seinen Soldaten stand und sagte: „Gebt auf König von Genovai, Ihr seid gestürzt! Die Bürger haben erkannt, was Ihr ihnen vorgelogen habt und fordern eine gerechte gute Regierung. Eure Zeit ist vorbei. Der Rat aus Tengolu wird über euer Schicksal entscheiden und dann das Land neu aufbauen und neue Regeln einführen.“ Der König sah mich zerknirscht an und sagte dann: „Ihr habt gewonnen!“ Er ließ sein Schwert fallen und winkte seine Soldaten fort. Dann ergriffen ihn einige Männer und führten ihn ab.
In der nächsten Zeit war viel los in Genovai. Überall wurden die übriggeblieben Anzeichen von Grendan vernichtet; der Reichtum aus dem Königschloss wurde unter dem Volk verteilt; die riesigen Befestigungen wurden niedergerissen; das Schloss wurde durch ein neues Ratsgebäude ersetzt; der bisherige Rat von Tengolu nahm die Regierungsgeschäfte auf; die übriggebliebenen Menschen aus Tengolu zogen von dort weg, zurück in ihre alten Dörfer und Städte und die Regeln für die Menschen von Genovai wurden neu gesetzt. Nach etwa einem Jahr war Ordnung eingetreten und ich wusste, dass jede Entscheidung richtig gewesen war und ich dazu beigetragen hatte, dass wieder Gerechtigkeit eintrat. Ich konnte sicher sein, dass alle weiteren Entwicklungen in Genovai einen guten Lauf nehmen würden und beschloss nun nach über zwei Jahren Aufenthalt wieder nach Hause zurückzukehren. Ich verabschiedete mich von allen meinen Freunden und versprach eines Tages zurückzukehren. Und so beendete ich meine großen Abenteuer in Genovai.

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 Betreff des Beitrags: Jenani
BeitragVerfasst: 03.10.2005 - 11:11 
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6. Welt Jenani

Nachdem ich nun schon über zwei Jahre Schreiberin war, wurde es nun wieder Zeit nach D’ni zurückzukehren und meinem Lehrer und Gildenmeister Athelstan Bericht zu erstatten. Ich benutzte mein Verbindungsbuch in die Höhlen und kam am großen See an. Ein Boot stand am Ufer bereit und ich stieg sogleich ein und ruderte in den großen Hafen. Ich grüßte die Hafenarbeiter und machte mich dann auf den Weg ins Stadtinnere zu dem großen Gildenhaus der Schreiber. Trotz großartiger Restaurationsarbeiten war immer noch die Verfallenheit zu sehen. Ich fragte mich immer wieder wie diese Stadt in ihrer einstigen Pracht ausgesehen haben musste. Über dem Gildenhaus der Schreiber war das Symbol der Gilde – die goldene Feder auf dem roten Grund – zu sehen. Ich trat ein und kam in den Vorraum, wo ein Schreibtisch und einige Regale standen. Ein Gang führte zum Klassenzimmer, wo offensichtlich gerade Unterricht stattfand. Ich erinnerte mich meiner Lernzeit mit den wenigen anderen Leuten, welche die harte Aufnahmeprüfung bestanden hatten. Die Lehrer konnten heute auch nicht mehr das lehren, was einst die D’ni gelehrt hatten, da viele Informationen über die „Kunst“ verlorengegangen waren. Wir konnten froh sein, dass überhaupt noch die Möglichkeit bestand die „Kunst“ zu lernen und das wir tatsächlich Verbindungen zu Welten herstellen konnten.
Am Schreibtisch saß Athelstans Assistent Horan und korrigierte die Arbeiten der Schüler. Ich ging auf ihn zu und sagte: „Shorah, Horan. Wie sehen die Arbeiten der Schüler aus?“ Horan blickte überrascht auf und lächelte mich dann etwas müde an. „Sie sind vielversprechend, aber noch sehr fehlerhaft. Sie sind gerade erst dabei ihr erstes Jahr abzuschließen. Ich freue mich dich wiederzusehen, Hitana. Wie kommst du zurecht?“ „Ich habe ziemlich große Fortschritte gemacht. Ich möchte Meister Athelstan gerne meine Aufzeichnungen der Zeitalter zeigen, zu denen ich Verbindung erlangt habe, aber wie ich sehe ist er gerade beschäftigt.“ „Die Stunde ist bald zu Ende. Erzähle mir doch inzwischen, wie es dir ergangen ist!“ Ich lächelte und sagte: „Du kannst gerne nachher dabei sein, wenn ich mit Meister Athelstan rede. Korrigiere nur weiter die Arbeiten, ich werde mich ein wenig umsehen.“
Wenige Zeit später läutete die Stundenglocke und die Schüler strömten aus dem Gildenhaus. Sie gehörten zu dem ersten Jahrgang von Kindern, die hier aufgewachsen waren und jetzt die „Kunst“ lernten. Viele Klassen bestanden aber aus älteren Leuten wie mir, die mehr Lebenserfahrung und Weisheit besaßen, allerdings im Gegensatz zu den Kindern noch unter anderen Bedingungen gelebt hatten. Meister Athelstan trat als letzter aus dem Klassenraum und sah mich sofort mit einem strahlenden Lächeln an. Wir begrüßten uns auf die traditionelle Art der D’ni. „Es ist schön dich wiederzusehen, Hitana. Ich danke dir, dass du meiner Bitte nachgekommen bist und nun gekommen bist, um mir deine Ergebnisse zu zeigen. Komm Horan, du hast genug gearbeitet. Hören wir uns Hitanas Bericht an!“ Die nächsten Stunden verbrachte ich damit ihnen alles zu erzählen, was ich getan und erlebt hatte. Oft machten sie erstaunte Gesichter, manchmal runzelte Athelstan die Stirn, und sie hörten die ganze Zeit konzentriert und gespannt zu. Als ich geendet hatte, nickte Athelstan nachdenklich und bat Horan einen Moment mit mir unter vier Augen reden zu können. Horan entfernte sich und Athelstan sagte: „Du hast wirklich gute Fortschritte gemacht, aber ich muss sagen, dass ich nicht mit allen Entscheidungen einverstanden bin, die du getroffen hast. Besonders deine Taten in Genovai missfallen mir. Wie oft habe ich dich und die anderen gelehrt, dass Krieg und Gewalt stets vermieden werden sollen?!“ „Hört mich an, Meister Athelstan, ich bitte Euch! Ich habe diese Entscheidung stets bereut, besonders als ich selbst eine Niederlage miterleben musste. Doch mit meiner Entscheidung habe ich einen sinnlosen, verlustreichen Krieg verhindert und stattdessen nur wenige Verluste erlitten und wenige Menschen töten lassen. Vielleicht hätten die Menschen aus Tengolu eines Tages einen Krieg angefangen, den sie auf jeden Fall verloren hätten. Dabei hätten sie nicht nur die wirklichen Schuldigen, sondern auch alle, die weiter Anhänger des Grendan blieben, umgebracht. Ich habe durch meinen Plan ein Massaker verhindert und den Menschen Gerechtigkeit und ein gutes Leben gegeben. Als ich sah, wie befreit die Menschen nach dem Sturz des Königs waren, wusste ich das meine Entscheidung letztlich nicht falsch gewesen war.“ Er nickte wieder nachdenklich und meinte: „Ich hoffe nur, dass so etwas nie wieder geschieht. Sei in Zukunft bitte etwas vorsichtiger und weniger impulsiv. Ich kann dich verstehen und hätte in deinem Alter wahrscheinlich nicht anders gehandelt, aber es ist dennoch falsch. Nun, dieses Mal werde ich dich nicht bestrafen, sollte dies aber noch einmal geschehen, werde ich einige Maßnahmen ergreifen müssen. Gib mir bitte deine Aufzeichnungen, ich werde sie durchlesen, um mir ein besseres Bild deiner Welten zu machen. Vielleicht kannst du mich auch eines Tages einmal mitnehmen. Übernachte doch einige Tage hier bis ich fertig bin.“ Ich bedankte mich für das Gespräch und zog mich zurück. Ich nahm mir ein Zimmer in einem Gasthaus und schlief einen ruhigen Schlaf. In den nächsten Tagen streifte ich durch die Stadt und traf alte Freunde. Ich benachrichtigte Horan, wo ich wohnte und bekam nach einer Woche die Nachricht, dass Meister Athelstan meine Aufzeichnungen gelesen hatte. Ich ging also wieder zu ihm und nahm die Bücher entgegen. Dann verabschiedete ich mich mit dem Versprechen wiederzukommen und kehrte in mein Relto zurück.
Endlich hatte ich die Zeit mit der Beschreibung für eine neue Welt zu beginnen, deren Idee mir wie so viele andere in Genovai gekommen war. Beinahe hatte ich zu viele Ideen und musste mich erst einmal entscheiden, welche ich als erstes in Angriff nehmen wollte. Bald stand aber für mich fest, welche es sein sollte. Und so setzte ich mich an den Schreibtisch und begann zu schreiben.
Ich brauchte vier Wochen, bis ich die Welt, welche ich „Jenani“ nannte. Ich packte meine Sachen und verband mich. Seltsamerweise roch ich Jenani bevor ich es sah. Ich roch die Feuchte von Regen und den Duft nasser Erde. Als ich die Augen öffnete, stand ich in einem Urwald mit Farnen, Büschen, farbenfrohen Blumen und seltsam geformten Früchten. Aus der Erde ragten dicke Bäume bis in den Himmel und überall war das Zwitschern, Trällern, Kreischen und Pfeifen von Vögeln zu hören. Ich hörte ein Rascheln und drehte mich schnell um, doch es war nichts zu sehen. Ich fühlte mich seltsamerweise beobachtet, aber von wem oder was? Ich nahm den Bogen, welchen ich jetzt stets bei mir trug von der Schulter und legte einen Pfeil an. Ich wusste nicht, was mich hier erwartete und wollte daher sicher gehen. Langsam schlich ich mich so leise wie möglich durch den Wald und sah mich dabei aufmerksam um. Manchmal sah ich einen farbenfrohen Vogel aus einem Nest in einer der Pflanzen, welche an den Bäumen wuchsen, auffliegen und teilweise meinte ich etwas ins Gebüsch huschen zu sehen. Auf den teilweise ziemlich großen Blumen saßen seltsame Insekten mit schillernden Panzern. Es war nicht besonders hell hier unten und ich hatte Schwierigkeiten weit zu sehen. Angespannt und bereit jederzeit zu handeln streifte ich durch den Wald, hatte aber den ganzen Tag lang keine Begegnung mit gefährlichen Wesen. Es regnete den restlichen Tag nicht mehr und ich fand außer den erstaunlichen Pflanzen, welche ich sah, nichts weiter besonderes. Als es dunkel wurde schlug ich mein Zelt auf und zündete vorsichtshalber ein Feuer an. Durch ein kleines Fenster im Zelt konnte ich sehen, ob draußen irgendetwas geschah. Die Tiere, welche sich jetzt auf die Suche nach Nahrung machten, gingen einen großen Bogen um mein Feuer, so dass ich nichts befürchten musste. Am nächsten Tag erwachte und sah durch das Fenster, dass es in Strömen regnete. Ich zog meinen Regenmantel an, brach mein Lager ab und zog weiter. Der Regen ließ zum Glück bald nach und ich konnte sehen, wie verschiedene Weichtiere und Reptilien aus der Erde und den Büschen hervorkrochen, um die Feuchtigkeit, welche sie so sehr liebten, zu genießen. Ich kniete mich nieder und nahm mein Tagebuch heraus, um die Wesen aufzuzeichnen. Später konnte ich auch einen genaueren Blick auf einige andere Wesen erhaschen und schnelle Skizzen von ihnen anfertigen. Eines sah wie ein Biber mit ziemlich langen Ohren aus ein anderes wie ein winziges Pferd, dass ein hellgelbes Fell mit schwarzen Punkten hatte.
Wieder fühlte ich mich beobachtet und hörte es Rascheln, sah aber nichts. Die Gegend veränderte sich kaum und ich ließ meinen Blick auf der Suche nach Wesen schweifen. Als ich meinen Blick wieder der Richtung, in die ich lief zuwandte, blieb ich wie angewurzelt stehen und spannte meinen Bogen. Etwa zehn Meter vor mir stand eine Gestalt völlig reglos mit erhobenen Armen, in denen sie ein Beil und ein Messer hielt. Durch das schlechte Licht konnte ich jedoch nicht das Gesicht sehen. Langsam ging ich auf die Gestalt zu, den Pfeil direkt auf ihren Kopf gerichtet. Seltsamerweise blieb die Gestalt weiterhin reglos stehen. Ich runzelte die Stirn und trat noch näher heran. Die aufkommende Erkenntnis ließ mich aufatmen, aber das Gesicht, welches ich sah, ließ mich frösteln. Die Gestalt war eine Figur aus Holz, vielleicht ein Wächter, mit Fangzähnen so spitz wie bei Fledermäusen, an denen getrocknetes Blut klebte und einem drohenden Gesichtsausdruck und böse dreinschauenden Augen. Nun stand schon einmal fest, dass auch hier menschliche Wesen gab, die aber offensichtlich nicht gerade freundlich zu sein schienen. Ich war froh meinen Bogen dabei zu haben und wusste jetzt worauf ich mich gefasst machen musste.

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Zuletzt geändert von Hitana am 16.06.2006 - 14:35, insgesamt 1-mal geändert.

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Jenani

Ich ging weiter, stets bereit zu schießen, wenn es nötig war. Ich begegnete keinen weiteren Totems und auch sonst geschah nichts mehr an diesem Tag. Am Abend schlug ich wieder mein Zelt auf und legte mich schlafen. Als ich am nächsten Morgen den Reißverschluss öffnete, fiel ich vor Schreck auf meinen Po. Vor meinem Zelt hockte ein Mann, der eindeutig Indio war. Er hatte braune Haut, schwarzes Haar, dass er zu einem Dutt gebunden hatte, trug einen Lendenschurz sowie viele Malereien, die wie Tätowierungen aussahen, und hielt einen ziemlich gefährlich aussehenden Speer in der Hand. Er wich ebenfalls zurück und hob den Speer drohend. Ich hob langsam die Hände, um ihm zu zeigen, dass ich keine Waffen trug und sagte mit beruhigender Stimme: „Ich tue dir nichts.“ Plötzlich erschienen drei weitere Indios, die dem ersten sehr ähnlich waren. Sie gingen auf den ersten zu und redeten eindringlich in einer mir fremden Sprache auf ihn ein und zeigten dabei immer wieder auf mich. Dann wurde er irgendwie verlegen und senkte den Kopf. Dann wandten sie sich mir zu, knieten alle nieder und beugten sich dann so tief herunter, dass ihre Nasen den Boden berührten. Ich begann mich zu bewegen, ohne mich weiter von ihnen stören. Als sie dies wahrnahmen, setzten sie sich wieder auf und begannen mit den Händen in der Luft zu kreisen und irgendetwas in ihrer Sprache zu murmeln, wobei sie die Augen geschlossen hielten. Ich brach mein Lager ab und stand dann irritiert vor ihnen. Sie erhoben sich alle gleichzeitig und machten einige Schritte von mir weg. Dann winkten sie mir zu ihnen zu folgen. Ich zuckte die Achseln und ging ihnen hinterher. Sie führten mich quer durch den Wald zu einem Baum, der dicker als alle anderen Bäume war. Einer von ihnen stieß einen trällernden Ruf aus und schon fiel eine Leiter aus geflochtenen Lianen aus der Krone und kam bei uns unten an. Die Männer stiegen nacheinander herauf und ich folgte ihnen als Letzte. Nach einem langen Aufstieg, kam ich auf einer Holzplattform in etwa fünfzehn Metern Höhe an und sah mich staunend um. Dank der Helligkeit konnte ich hier viel mehr sehen und was ich sah war wirklich erstaunlich. Von der Plattform führten Brücken aus Holz und geflochtenen Lianen zu Holzhütten, die in die Kronen dieser Bäume eingebaut worden waren. Es gab fünf mittelgroße Hütten und eine sehr große in der Mitte. Dorthin führten mich die vier Männer jetzt. Wir traten in die Hütte, welche von innen größer zu sein schien, als von außen. Sie war einfach eingerichtet mit einem Bett, dessen Matratze, Kissen und Decke aus gewebten Lianenfasern bestand, einem Waschtisch aus klobig geschnitzten Holz, einem Tisch, auf dem Schalen und Becher aus Holz standen und einem großen Thron in der Mitte des Raumes, in den komplizierte Verzierungen eingeschnitzt waren. Ein Großteil des Raumes blieb jedoch für, mir unbekannte Zwecke, frei. Die vier Männer schoben mich geradezu auf den Thron, bis ich darauf saß. Dann knieten sie sich wieder nieder und begannen wieder mit ihren seltsamen Ritualen. Aus der Art, wie sie mich behandelten, konnte ich schließen, dass sie mich für eine Göttin oder etwas ähnliches hielten. Das ließ mich etwas erschrecken, aber ich konnte es auch verstehen, angesichts der seltsamen Dinge, welche ich mit mir führte. Im Laufe des Nachmittags kamen und gingen immer wieder Leute, die ihre Rituale zelebrierten. Ich sah viele junge Menschen, wenige Alte (wahrscheinlich wegen der schlechten Gesundheitsbedingungen) und viele Frauen, die ihre Brüste mit Abdeckungen aus geflochtenen Lianen bedeckten. Als endlich alle mich begrüßt und angebetet hatten, beschloss ich mich etwas in dem Dorf in den Bäumen umzusehen. Ich lief über die Brücken zu den Plattformen, an die sich die Hütten in der Mitte der Plattformen anschlossen. Anscheinend störte es hier niemanden, wenn man Einblick in seine Hütte hatte. Als ich vorbei ging sahen sie alle auf und beobachten jeden meiner Schritte. Hinter meiner Hütte, anschließend an die dazugehörende Plattform, entdeckte ich einen Altar. Ich ging dorthin und staunte, als ich sah, was auf dem Altar lag. Es war das Verbindungsbuch zurück in mein Relto, dass ich am Anfang an der Stelle zurückgelassen hatte, wo ich in dieses Zeitalter gekommen war. Die Eingeborenen mussten es gefunden und mitgenommen haben, oder schlimmer noch, hatten sie vielleicht auch gesehen, wie ich mich hierher verband und daraus geschlossen, dass ich eine Göttin war? Dies erklärte auch, warum ich mich beobachtet gefühlt hatte; sie hatten mich die ganze Zeit beobachtet und verfolgt. Ich schüttelte traurig den Kopf. Ich wollte keine Göttin sein, aber ich würde ihnen nie klarmachen können, dass ich es nicht war. Ich würde erst einmal ihre Sprache lernen müssen, um mich einigermaßen mit ihnen verständigen zu können.
Am Abend brachte mir ein Diener ein ziemlich großes Abendessen, dass aus unzähligen Früchte- und Gemüsesorten, aber auch etwas Fleisch bestand, welches aussah, als wäre es von dem Biberwesen oder dem gelben Minipferd. Ich aß nur die Hälfte davon und bedeutete dem Diener den Rest unter dem Volk aufzuteilen, worauf er sich mit strahlendem Gesicht immer wieder verbeugte und das Tablett tragend, rückwärtsgehend aus der Hütte trat. Satt und einigermaßen zufrieden legte ich mich auf das Bett und schlief ziemlich gut. Am nächsten Morgen wurde ich von den gemurmelten Litaneien des gesamten Volkes geweckt, welches sich in meiner Hütte versammelt hatte. Es waren gerade mal dreißig Menschen und sie passten alle in die Hütte. Deshalb war sie also so groß und leer. Nachdem ich gefrühstückt hatte, winkte ich den Diener zu mir und begann auf verschiedene Gegenstände zu zeigen. Er schien zu verstehen und sagte die jeweiligen Worte dazu. So lernte ich an einem Tag ziemlich viele Wörter und konnte mich innerhalb einer Woche einigermaßen (wenn auch fehlerhaft) verständigen. Seltsamerweise schien es die Menschen nicht zu stören, dass ihre „Göttin“ nicht ihre Sprache konnte. Die Sprache war einfach und ich lernte schnell. Bald fand ich mehr über dieses Volk und diese Welt heraus. Das Volk lebte hier schon seit Ewigkeiten und auch seit langer Zeit in den Bäumen. Sie hatten vor vielen Jahrzehnten auf dem Boden gelebt, waren dort aber nie vor wilden Tieren sicher gewesen. Deshalb waren sie in die Bäume gezogen und gingen nur noch hinunter um zu sammeln und zu jagen. Der Totem, den ich gesehen hatte, diente zur Abschreckung von bösen Geistern, die durch die Wälder zogen. Das Volk selbst war äußerst friedlich und wusste auch nicht, ob es hier andere Völker, wie das ihre gab.
Vor einigen Jahren war ein sehr alter Mann aus ihrem Volk der Anführer hier gewesen, doch dann war er gestorben und die große Hütte, die ihm gehört hatte, war leer geblieben. Trotz guter Gesundheit war er plötzlich gestorben und die Leute hatten geglaubt, er sei von den bösen Geistern geholt worden und daher hatte niemand sich getraut neuer Anführer dieses Volkes zu werden. Seitdem führte die Gruppe der vier Männer das Volk an und bisher hatten die bösen Geister nicht wieder zugeschlagen. Als ich gekommen war, wussten die Leute, dass sie bald keine Sorgen mehr mit den bösen Geistern mehr haben müssten, weil ich sie vertreiben würde. Als ich dies hörte zuckte ich zusammen. Wie sollte ich so etwas anstellen? Wahrscheinlich gab es diese Geister noch nicht einmal und der alte Mann war an Altersschwäche gestorben, was hier wohl so ungewöhnlich war, dass man glaubte die bösen Geister hätten ihn geholt. Vielleicht würde nur eine einfache Inszenierung der Geistervertreibung reichen, um die Leute davon zu überzeugen, dass die Geister ihnen nichts tun würden...

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Ich erklärte ihnen, sie sollten neue Totems machen, die mein Gesicht trugen. So würden die bösen Geister sicher vor Furcht weggehen und nie wieder kommen. Außerdem wollte ich eine Geistervertreibungszeremonie abhalten, um nur sicherzugehen, dass die Dorfbewohner wirklich davon überzeugt wurden, dass die Geister verschwanden. Während die Bewohner sich darum kümmerten die Totems zu schnitzen und zu bemalen, überlegte ich mir, wie ich die Zeremonie gestalten sollte. Vielleicht werde ich irgendwelche Effekte brauchen, die erschreckend wirken sollen oder so aussehen, als ob die Geister verschwinden. Ich kam mir etwas seltsam bei der ganzen Sache vor, wollte aber den Glauben dieser Menschen nicht erschüttern oder sie enttäuschen. Nach einer Woche verkündeten die Bewohner mir, dass sie mit den Totems fertig waren und nun auf die weiteren Geschehnisse warteten. Ich sagte ihnen, dass ich etwas holen müsse, was die Geister so sehr erschrecken würde, dass sie nie wieder kommen würden und verband mich zurück in mein Relto. Von dort aus reiste ich wieder in die Stadt und kaufte dort etwas Feuerwerk. Mit diesen Dingen kam ich eine Woche später nach Jenani zurück und verkündete den Bewohnern, dass die Vertreibungszeremonie noch heute Abend stattfinden konnte. Ich sagte ihnen sie sollten einen Kreis mit dem Feuerwerk abstecken, sich besonders bedrohlich bemalen, Instrumente, wie Trommeln mitbringen und dann furchterregende Schreie ausstoßen und wild herumtanzen. Sie waren alle in heller Aufruhr und sehr geschäftig dabei alles zu tun, was ich ihnen gesagt hatte. Am Abend stiegen wir alle auf den Boden hinunter und gingen zu dem Feuerkreis, wie ihn die Bewohner nannten. Ich hatte mir für diesen Zweck eines meiner besten Gewänder angezogen und mich ebenfalls bedrohlich bemalt.
Ich begab mich in die Mitte des Kreises, während die Bewohner außerhalb des Kreises ihre Stellung bezogen. Dann hob ich beide Arme und die Bewohner begannen gleichzeitig die Trommeln zu schlagen und wild zu kreischen. Dabei hüpften sie auf und ab und wirbelten herum. Sie drehten sich immer schneller um den Kreis und ihr Geschrei und Getrommel wurde immer lauter und wilder. Dann begann ich mit einer Beschwörungsformel, die ich mir vorher ausgedacht hatte. Als ich merkte, dass die Bewohner völlig in ihrer Aufgabe aufgingen und auf nichts anderes mehr achteten, ging ich zu den einzelnen Feuerwerkskörpern und zündete sie mithilfe von Streichhölzern an. Dann rannte ich schnell zurück in die Mitte des Kreises und hob genau in dem Moment, als die Raketen in den Himmel schossen, die Arme in die Luft. Es heulte und krachte und die Bewohner blieben ruckartig stehen und starrten mit großen Augen in den Himmel. Über uns entfalteten die explodierenden Raketen ein wunderschönes Panorama in den verschiedensten Farben. Die Bewohner zuckten bei dem lauten Krachen erst zusammen und jubelten dann, weil sie ganz sicher waren, dass die bösen Geister damit für immer vertrieben waren. Ich lächelte still vor mich hin, während sie mit wilden Freudentänzen begannen und sagte leise zu mir selbst: „Wie an Silvester.“
Die Bewohner feierten eine ganze Woche lang und fielen immer wieder vor mir nieder, um mir zu danken und mich zu preisen. Freundlich und höflich wie ich war, ließ ich alles über mich ergehen, obwohl ich selbst nicht soviel Freude bei der ganzen Sache hatte. Ich hatte zwar dafür gesorgt, dass sich die Bewohner nicht mehr vor bösen Geistern fürchten mussten, aber meine Taten hatten auch dazu geführt, dass ich noch viel stärker verehrt und angebet wurde, was ich gar nicht schön fand. Obwohl dieses Volk wie jedes andere sehr interessant war, wollte ich nicht mehr länger bleiben, musste jedoch vorher dafür sorgen, dass sie begannen jemand anders zu verehren. Und so ernannte ich den bisher ältesten Mann dieses Volkes zum neuen Anführer und sagte ihm, dass er vor seinem Tod einen neuen Anführer ernennen sollte. Die Bewohner hatten zum Glück nicht erwartet, dass ich für immer bleiben würde und daher störte es sie nicht sehr, dass ich wieder gehen wollte und eine neue Regelung eingeführt hatte. Ich blieb noch solange, um zu sehen, ob die Dinge den richtigen Lauf nahmen und verabschiedete mich dann. Als ich mich ein letztes Mal umsah und mich dann zurück in mein Relto verband, wusste ich nicht, ob ich diese Welt oft besuchen würde. Es war einfach nicht schön, sich ständig unwohl zu fühlen, weil man so sehr angebet wurde und außerdem gab es nun kaum etwas, dass ich noch nicht über dieses Volk wusste. Es wurde Zeit wieder einen neuen Weg zu beschreiten und die Tür zu einer neuen Welt zu öffnen...

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7. Welt Ra'shae

Dreieinhalb Wochen nachdem ich aus Jenani zurückgekehrt war, hatte ich mein neuestes Werk, die Welt „Ra’shae“ fertiggestellt und begann eine neue Reise. Die Welt zu der ich mich verband war sehr gebirgig und karg bewachsen. An meinem jetzigen Standpunkt weiter unten am Gebirge, war das Gras noch grün und saftig und stark von Flechten, Moosen, Kräutern und Wildblumen durchsetzt. Ich atmete die reine Bergluft tief ein und begann meinen Aufstieg. Ich wollte von einem höheren Standpunkt aus die Welt betrachten und schauen, ob ich etwas entdecken würde. Die schiefergrauen Berge waren in den höheren Lagen von Nebel verschleiert und der Gipfel stand schon etwas in den Wolken. In dem Bereich des Gebirges, wo ich mich gerade befand, wuchsen keine Bäume mehr und die Pflanzen am Boden hielten sich niedrig. Je höher ich im Laufe des Tages kam, desto karger wurde die Vegetation und desto mehr Stein schaute aus dem Boden. An Felswänden in einiger Entfernung entdeckte ich Höhlen, in denen vielleicht Berglöwen, Bären oder Gämsen wohnten. Ich ruhte mich auf einer aus dem Boden herausragenden Felsnase aus und aß ein einfaches aber stärkendes Mittagessen. Zwischendurch griff ich nach meinem Fernglas und schaute mich ein wenig um. Es schien tatsächlich Wesen in den Höhlen zu geben, da ich einige Bewegungen vor ihnen wahrnehmen konnte. Leider konnte ich nicht erkennen, welche Wesen es waren. Ich würde es aber sicher irgendwann erfahren.
Ich brach wieder auf und lief solange weiter, bis ich merkte, dass die Luft langsam dünner wurde und es außerdem schon anfing zu dämmern. Hier draußen zu übernachten war bei den kühlen Temperaturen wahrscheinlich keine gute Idee und so stieg ich zu einer der Bergwände hin und schaute vorsichtig in die Höhlen. Ich griff nach meiner Taschenlampe und durchleuchtete die Höhlen. Ich zuckte erschrocken zurück als ich ein leises Grollen hörte und entfernte mich langsam rückwärts laufend von der Höhlen. Die Lichter meiner Lampe reflektierten sich in den orangenen Augen eines Berglöwen mit langen herausstehenden Vorderzähnen, einer wuscheligen Mähne und einem schmalen Körper, der Stärke ausstrahlte. Er war von grauer Farbe und die Mähne schon fast silbern. Ob das am Alter oder der typischen Art der Berglöwen lag, wusste ich nicht zu sagen. Er blieb fünf Meter von mir entfernt stehen, ließ den Schwanz langsam hin und her pendeln und schaute mich lange an. Nach einiger Zeit entschied er offensichtlich, dass es nicht sinnvoll war mich anzugreifen und kehrte wieder in die Dunkelheit seiner Höhle zurück. Als ich jetzt weiter ging, versuchte ich am Geruch der Höhle zu bestimmen, ob sie bewohnt war. Nach einer längeren Suche fand ich eine Höhle, die nicht nach Tier roch und in der es keine Hinterlassenschaften gab. Ich baute schnell ein Feuer auf, breitete dann mein Lager aus und legte mich dann hin. Zum Glück gab es in der Nacht keine weiteren Geschehnisse, so dass ich am nächsten Tag ausgeruht aufstehen konnte. Da ich gewusst hatte, dass die Luft dünner werden würde, hatte ich mir einige Sauerstoffflaschen mitgenommen und setzte jetzt das Atemgerät auf. Dick eingepackt und etwa fünfundzwanzig Kilo Gepäck schleppend, zog ich weiter. Bald war ich froh diese Sicherheitsmaßnahmen getroffen zu haben, da es immer kälter und unangenehmer wurde. Bald konnte ich von der Umgebung um mich herum nicht mehr viel sehen, weil der Nebel sich ziemlich stark ausgebreitet hatte. Der Boden bestand nur noch aus Stein und ich war froh, meine Bergsteigerschuhe angezogen zu haben. Ich benutzte auch einen Wanderstock um zu testen, ob der Boden sicher war und mich zu stützen. Am Abend suchte und fand ich wieder eine Höhle und errichtete mein Lager. In der Nacht wurde ich durch ein scharrendes Geräusch geweckt. Blinzelnd und die Augen zusammenkneifend schaute ich in die Dunkelheit, bis ein Paar strahlend blaue Augen ausmachte. Ich zuckte aufgrund der Helligkeit der Augen zusammen und versuchte das Wesen genauer zu erkennen. Es kam langsam näher und da ich mich langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatte, konnte ich mir jetzt einen genaueren Eindruck des Wesens machen. Es war ein etwa vierzig Zentimeter großes rattenartiges Wesen, dass statt Fell schuppige Reptilienhaut besaß, ziemlich spitze Zähne hatte und große runde Ohren. Es schien als habe es vor sich an meine Sachen heranzumachen, um zu sehen, ob es dort etwas zu essen gab. Ich schaltete schnell meine Taschenlampe an und verscheuchte das seltsame Wesen damit. Den Rest der Nacht gab es keine weiteren Geschehnisse. Als ich am nächsten Tag weiterzog kam ich langsam in immer mehr verschneites Gebiet. Trotz der unwirtlichen Bedingungen entdeckte ich einige gämsenartige Tiere, die allerdings völlig weiß waren und rote Augen besaßen. Zum Mittag wurde es etwas klarer und ich konnte wieder mehr von der Umgebung sehen. Plötzlich öffnete sich die Wolkendecke und die strahlende Sonne ließ ihre Strahlen auf ein tempelartiges Gebäude nicht weit vom Gipfel entfernt fallen...

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Ich riss erstaunt die Augen auf und starrte das Gebäude entgeistert an. Wie war es möglich, dass Menschen hier in so einer lebensfeindlichen Gegend einen Tempel gebaut hatten? Und warum hatte ich an keiner anderen Stelle Anzeichen für menschliches Leben gesehen?
Die Wolken hatten das geheimnisvolle Gebäude inzwischen wieder eingehüllt. War dies vielleicht nur eine Illusion? Ich beschloss mir das ganze genauer anzusehen und stieg weiter hinauf.
Es dauerte noch einige Stunden bevor ich endlich ein schmales Plateau erreicht hatte, welches kurz unterhalb der Spitze des Berges lag. Unter mir befanden sich jetzt die Wolken, die ich auf dem Weg hierher durchquert hatte und hier oben war es sonnig und klar. Der Tempel lehnte sich mit der Rückseite an den Felsen des Berges. Es war ein seltsamer Bau in einem Stil der griechische Säulen mit einem asiatischen Spitzdach verband. Das war etwas eigenwillig, aber auch äußerst interessant. Der Tempel war außerdem anscheinend schon ziemlich alt.
Da hier oben kein Schnee mehr lag war das Plateau leicht begrünt und sogar mit wenigen zarten weißen Blumen bestückt. Obwohl es hier oben sehr kalt war und man nur mit Atemgerät herumlaufen konnte, war es ein sehr schöner Ort, an den der Tempel sehr gut passte.
Ich lief langsam auf den Tempel zu, stieg die steinernen Treppen hoch und blieb vor dem hohen Eingang stehen. Ich strich mit meinen behandschuhten Händen über die Säulen, welche das Dach stützten, um mich zu vergewissern, dass dies keine Illusion war. Dann wandte ich mich dem Eingang zu und trat langsam ein.
Das Innere war noch verwunderlicher, da der Tempel durch Fenster in dem Dach von der Sonne durchflutet wurde. Ich starrte angestrengt zur Decke und versuchte herauszufinden welche Bautechnik hier angewendet worden war. Die Fenster waren schräg eingesetzt worden, so dass sie zur Gesamtform des Daches passten. Hier mussten Menschen am Werke gewesen sein, die sehr viel von Architektur verstanden hatten und vielleicht auch von anderen Dingen.
Nun schaute ich mir den Rest genauer an. In die Wände waren Nischen eingelassen, in denen Götterstatuen standen, die lockiges Haar, schmale Gesichter und mandelförmige Augen hatten. Wieder dieselbe seltsame Mischung aus griechisch und asiatisch. Boden, Wände und Statuen waren aus demselben Stein gehauen, weshalb ich davon ausging, dass der Tempel aus dem Felsen geschlagen worden war, genauso wie der Rest. Weitere Säulen stützten das Dach innen. Ein langer Gang mit steinernen Bänken und Gebetstischen führte zu einem Altar, wo einst wohl die Kulthandlungen stattgefunden hatten. Dahinter stand eine riesige Statue, die im Grunde wie alle anderen aussah, nur das diese eine besondere Ausstrahlung zu haben schien. Es war eine wunderschöne Frau, die in das strahlende Sonnenlicht gehüllt war und auf mich herabzulächeln schien. Sie wirkte weise und alt trotz ihrer jugendlichen Schönheit und sehr gutmütig. War dies die große Mutter, wie man sie überall nannte? Die Frau, welche sich um ihre Schöpfung hingebungsvoll kümmerte? Ich vermutete es.
Ich lief mit einem ehrfürchtigen Gefühl an der Statue vorbei und entdeckte einen Eingang zu einem Hinterraum, wahrscheinlich der Raum, wo sich die Priester auf die Kulthandlungen vorbereitet hatten. Ich trat in einen Raum, der bis auf einen weiteren Altar völlig leer war. Nichts war mehr geblieben von den Kultgegenständen, welche hier einst benutzt worden waren. Alles wirkte so einsam und verlassen, dass mir das Herz schwer wurde. Was mochte hier geschehen sein?
Von diesem Raum führte ein weiterer Gang weiter in den Berg hinein und dort trat ich jetzt hindurch. Hier war es völlig dunkel und ich war froh die Taschenlampe dabei zu haben. Doch noch vor dem letzten Stück des Ganges sah ich plötzlich ein Licht und schaltete die Lampe aus. Nach wenigen Schritten hatte ich einen kleinen Raum erreicht, der von elektrischem Licht erhellt wurde und sehr einfach eingerichtet war. Ein Bücherregal, eine Kommode, ein Nachttisch, ein Bett, ein Tisch und zwei Schemel waren die einzige Einrichtung. Auf dem Bett lag ein alter, nein ein uralter Mann, der offensichtlich schlief. Ich fuhr vor Schreck zusammen und starrte den Alten völlig ungläubig an.

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Als ich mich wieder etwas von dem Schrecken erholt hatte, betrachtete ich den alten Mann genauer. Er musste wirklich sehr alt sein. Sein dünnes, schulterlanges Haar war schneeweiß, das bleiche, von Falten durchfurchte Gesicht spannte sich wie feines Pergament über die Knochen. Da nur sein Kopf unter der dicken Bettdecke hervorschaute, konnte ich den restlichen Körper nicht sehen, aber die Formen, welche sich unter der Decke abzeichneten, zeigten mir, dass er sehr gebrechlich sein musste. Ich schien ihn durch mein Eintreten nicht geweckt zu haben und ließ ihn weiter ruhen. Ich ging zu dem Bücherregal und schaute mir die Bücher genauer an. Die Schrift war für mich nicht zu lesen und daher stellte ich sie wieder weg.
Da hörte ich wie der Alte sich rührte und drehte mich um. Er setzte sich langsam auf, rieb sich die Augen und öffnete sie dann. Er hatte blaugraue Augen und sah mich ziemlich verwundert an. „Seid Ihr eine Erscheinung?“ Seine Stimme war ein leises Flüstern, kaum zu verstehen, aber wie sooft wieder in meiner Sprache. „Nein, Herr. Ich bin die Reisende Hitana.“ Der Alte sah mich nachdenklich an, dann nickte er und stieg langsam aus seinem Bett. Er war tatsächlich so gebrechlich, wie ich vermutet hatte. Er war in eine lange, weiße Robe gehüllt, die wie das Gewand eines Priesters wirkte. Er schlurfte langsam auf den Tisch zu und setzte sich auf einen Hocker. Trotz seines schwach wirkenden Körpers, hielt er sich noch ziemlich aufrecht. Er zeigte auf den anderen Hocker und sagte dann: „Ich bin sicher Ihr wollt wissen, wo mein Volk ist. Seid Ihr eine Weltenreisende, Hitana?“ „Ja, aber woher wisst Ihr das?!“ Er lächelte und sagte: „Nun ja, auch ich bin ein Reisender, aber es gibt viele Arten zu reisen. Ich bin mithilfe eines geheimnisvollen Steins gereist und wie reist Ihr?“ „Ich bin eine Bücherreisende, Herr.“ „Hmm, davon habe ich noch nicht gehört. Nun wie auch immer. Ich möchte Euch erzählen, was hier einst geschah.
Vor vielen hundert Jahren gab es hier ein großes, mächtiges Volk. Es hatte trotz der schwierigen Bedingungen eine sehr gute Zeit, weil es von der großen Göttin Nandini gesegnet war und niemals hungern oder dürsten musste. Sie hatte ihnen nämlich eine Senke im Gebirge geschenkt, wo Früchte gediehen, viele Tiere grasten und ein klarer Fluss floss. Sie lebten in Höhlen, welche sie in den Felsen des Gebirges gehauen hatten und haben schon in frühester Zeit eine Stätte hier oben für Nandini errichtet. Sie sah nicht wie die heutige aus, aber ihr Zweck war derselbe. Sie verehrten ihre Götter hier und sie wollten ihnen dabei so nahe wie möglich sein.
Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich zu einer hochzivilisierten Gesellschaft für ihre Verhältnisse und die Umstände, unter denen sie lebten. Das fand ich jedenfalls, als ich hier ankam. Sie waren wirklich kluge und freundliche Menschen, die mich bereitwillig aufnahmen. Letztlich musste ich jedoch erkennen, dass einige von ihnen mich nur benutzten, indem sie mein Wissen ausnutzten und ihre eigenen Bestrebungen verfolgten. Es reichte ihnen nicht mehr den Göttern nahe zu sein. Sie selbst wollten gottgleich sein und begannen daher an einem Serum zu arbeiten, dass sie unsterblich machen sollte. Gleichzeitig dazu hatten sie mir den Reisestein entrissen und versuchten Leute zu den Göttern zu schicken. Die Kugel funktioniert so, dass man an den Ort kommt, den man sich in seiner Fantasie vorstellt. Aber ob jemals einer von ihnen zu den Göttern gekommen ist, wage ich zu bezweifeln. Ich selbst glaubte nie an Nandini. Niemand wollte auf mich hören, als ich sagte, diese Bemühungen seien unmöglich. Immer mehr Menschen verschwanden durch die Kugel und als das Serum fertiggestellt war, wurde es noch schlimmer. Das Serum machte die Leute nämlich krank und die Krankheit war auch übertragbar. Unzählige sind an der Krankheit gestorben und die wenigen, welche übrig blieben schämten sich so sehr für ihre Verfehlungen, dass sie eine Büßerstrafe auf sich nahmen. Sie schlossen sich in den Höhlen ein und verstarben dort. Das einzige was von diesem Volk übriggeblieben ist, ist der Tempel der Nandini, den sie im Laufe der Zeit immer schöner gemacht hatten. Ich bin hierher gegangen, als es nichts anderes mehr gab und musste hier bleiben, weil der Reisestein ebenfalls zerstört worden war. Die letzten Bewohner gaben mir sogar die Schuld am Untergang ihres Volkes. Auch ich frage mich manchmal, ob es eine gute Idee war, in das Schicksal dieses Volkes einzugreifen. Die klare, keimfreie Luft, an deren Dünne ich mich schon längst gewöhnt habe und eine genetische Vorraussetzung, die bei meinem Volk öfter vorkommt, führten dazu das ich schon so lange lebe. Aber inzwischen spüre ich mein Alter und weiß, dass ich bald nicht mehr leben werde. Doch eines wird mich dieses Leben lehren: Die Hände, welche aufbauen, können auch zerstören.“ Wir schwiegen eine Weile und dann fragte ich: „Wie ernährt ihr Euch? Ich meine Ihr könnt doch sicher nicht mehr zu der Senke gehen, oder?“ „Ja, so ist es. Aber ich habe gewusst, dass die Dinge so kommen würden und in jüngeren Jahren einen Vorrat angelegt. Ich brauche auch nicht mehr viel. Ich esse nur noch dann wenn ich wirklich muss. Wisst Ihr von man so kurz vor dem Ende steht, dann macht es doch keinen Sinn mehr sich mit aller Kraft am Leben zu erhalten, vor allem wenn man das Ende auch herbeisehnt.“ Ich nickte und sagte dann: „Gibt es wirklich keine Möglichkeit in die Höhlen dieses Volkes zu kommen?“ „Oh, ich denke schon, dass man es schaffen könnte, wenn man nur das richtige Werkzeug hat.“ "Wie komme ich dorthin?" "Ihr müsst erst einmal wieder weiter den Berg herunter. Von einer Stelle aus könnt Ihr zwei Berge sehen, die wie Höcker aussehen. Von dort aus geht Ihr immer nach Osten. Nach insgesamt einer Woche werdet Ihr die Senke erreichen. Von dort aus müsst Ihr nach Nordwesten zu dem Gebirgspass hin. Dort findet Ihr die Höhlen. Sie müssten noch einigermaßen gut zu sehen sein."
„Ich danke Euch, dass Ihr mir alles erzählt habt, Herr. Schade, dass ich den Reisestein nicht mehr sehen kann, denn von so einer Reisemethode habe ich auch noch nicht gehört. Wollt Ihr mein Reisebuch sehen?“ Er nickte neugierig und ich reichte ihm mein Verbindungsbuch in mein Relto. Er starrte eine ganze Weile das Bild an, in dem man die Welt sehen konnte und gab es mir dann zurück. „Wirklich sehr interessant, Hitana. Ich würde gerne noch etwas mehr über Euch wissen und Ihr vielleicht auch von mir. Lasst uns also noch etwas reden.“ Und so erzählte ich ihm alles über die D’ni, die Kunst und die Welten, welche ich schon besucht hatte und er erzählte mir von seinem Volk, den Ennedi, welche ein sehr kluges und erfindungsreiches Volk waren. Irgendwann wurde der Alte aber müde und sagte: „Ah, ich bin müde. Es war schön Euch kennenzulernen, Hitana, aber jetzt spüre ich das meine Kräfte schwinden. Ich wünsche Euch ein gutes Leben und gebt gut auf Euch acht!“ Damit erhob er sich, schlurfte zu dem Bett und legte sich dann wieder hin. Er wickelte sich in seine Decke, schloss die Augen und schlief sofort wieder ein. Nach einer Weile wurde sein Atem immer schwächer und kam dann entgültig zur Ruhe. Ich machte ein Segenszeichen über seinen Körper und ging dann wieder fort.

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Ich verließ den Tempel etwas traurig und machte mich an den Abstieg. Ich fragte mich wie lange wohl der Tempel noch in seiner ganzen Pracht strahlen würde, bis auch er verfallen würde. Nun da der Alte tot war, konnte niemand mehr den Tempel erhalten, so dass er sicher bald nicht mehr so schön sein würde. Ich dachte auch über das Volk nach von dem der Alte mir erzählt hatte und fragte mich, was ich in den Höhlen noch herausfinden konnte. Auch dieses Mal war ich auf eine Kultur gestoßen, die zivilisiert gewesen war und wo sich durch die Zivilisierung und das Wissen schlechte Dinge entwickelt hatten. Die Geschehnisse der Vergangenheit und der Besuch so vieler verschiedener Welten mit den verschiedensten Arten von Menschen hatten mir gezeigt, dass es keine unfehlbaren Völker gab. Aber tauchten Fehler vielleicht verstärkt auf, wenn das Volk zivilisiert und technisch fortgeschritten war?
Ich seufzte und fragte mich, wann ich endlich auf ein gutes Volk stoßen würde.
Ich beschritt den Weg genauso, wie ihn mir der Alte beschrieben hatte und kam nach einer Woche an der Senke an. Als ich sie sah konnte ich verstehen, dass man hier einst geglaubt hatte, die Göttin Nandini hätte ihnen die Senke geschenkt.
Durch Verschiebungen der Gebirge und Veränderungen der Erde war hier eine riesige Senke entstanden, die man schon fast als ein paradiesisches Tal inmitten der feindlichen Bergwelt ansehen konnte. In diesen Lagen schmolz der Schnee auf den Bergkappen und rauschte als Wasserfall in die Tiefe, wo er viele kleine Bäche mit klarstem Wasser bildete, von denen einer sogar einen kleinen See in der Senke bildete. Was auch immer einst hier angebaut worden war, ist jetzt völlig verschwunden. Es gab keine Anzeichen, dass hier einst Menschen Landwirtschaft betrieben hatten.
Ich wandte mich nach Nordwesten hin zu dem Gebirgspass, von dem der Alte gesprochen hatte und stieg zu den Höhlen hinauf. Es war Abend als ich dort angekommen war und ich musste mir wieder eine leere Höhle suchen, um dort zu übernachten. Am nächsten Tag suchte ich nach den Höhlen, wo das geheimnisvolle Volk einst gelebt hatte und fand sie auch ziemlich schnell. Ich musste jedoch feststellen, dass ich erst einmal starkes Werkzeug brauchte, um durch das viele Geröll zu kommen, welches die letzten Menschen vor den Eingang geschichtet hatten. Ich konnte diese Arbeit unmöglich alleine erledigen und entschloss mich daher in die Stadt zurückzukehren, um dort Werkzeug zu besorgen und einige Helfer anzuwerben.
Ich kehrte nach einer Woche mit Spitzhacken und kleinen tragbaren Motorbohrern sowie vier Helfern zurück zu dem versperrten Eingang, wo wir uns gleich an die Arbeit machten. Unser Lager bezogen wir in der leeren Höhle, in der ich zuletzt übernachtet hatte. Bald stellten wir fest, dass die letzten Menschen nur so viele Steine benutzt hatten wie nötig waren, so dass wir schnell durchkamen. Wir entzündeten Feuermurmeln in unseren Laternen und betraten die Höhlen. Die Wände waren außerordentlich gut gearbeitet und mit Texten in der unbekannten Schrift, sowie Zeichnungen des alltäglichen Lebens geschmückt. So konnten wir bald herausfinden, wie das Leben hier einst gewesen war. Es hatte einen Rat bestehend aus den Ältesten des Volkes gegeben, der die Gesetze bestimmte und alles überwachte. Dann hatte es Gilden verschiedenster Art gegeben, von Steinmetzen bis zu Alchimisten. Die Masse der Gilden und ihre verschiedenen Aufgaben zeigten, dass dieses Volk wirklich sehr fortgeschritten gewesen war. Sie hatten die Elektrizität, den Betrieb über einen Motor und die Herstellung bestimmter Dinge mithilfe von Chemie gekannt.
Wir drangen immer weiter in das verzweigte System von Höhlen vor und schauten uns die Behausungen der Menschen an. Obwohl vieles schon verfallen war, konnte man die Unterschiede unter den Behausungen sehen. Manche waren größer, edler und reicher, andere einfach und auch ärmlich.
Wir entdeckten die Werkstätten der Gilden und fanden immer wieder gut erhaltene Bücher. Wir fanden sogar ein Buch, dass uns helfen konnte die fremde Schrift zu entziffern. Wir waren alle sehr fasziniert, aber auch verwundert wie sehr diese Kultur den D’ni ähnelte. Gab es vielleicht trotz der vielen Universen und Welten Ähnlichkeiten, die immer wieder vorkamen?
Die vier Helfer baten mich die Bücher entziffern und studieren zu dürfen und ich willigte ein. Im Moment war unsere Arbeit hier beendet und so kehrten wir nach D’ni zurück. Ich benutzte das Verbindungsbuch zurück in mein Relto und setzte mich erst einmal an meinen Schreibtisch. Viele Welten hatten mir gezeigt, dass dort Zivilisationen entstehen konnten, auch wenn die Umstände schwierig waren. Vielleicht waren schwierige Umstände doch nicht nur negativ, wenn sie dazu führten, dass das Volk gefordert war und so einen großen Erfindungsreichtum entwickelte? Sicher musste es immer etwas in einer schwierigen Welt geben, wovon dieses Volk leben konnte, aber meine Arbeit als Schreiberin hatte mir gezeigt, dass nichts unmöglich war. Wie hieß es doch: Der Baum der Möglichkeiten hat viele Äste und nur der Schöpfer kennt sie alle.

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BeitragVerfasst: 05.11.2005 - 11:49 
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8. Welt Meygana

Nach meinen letzten beiden Abenteuern hatte ich mich über ein Jahr zurückgezogen, um wieder an einer neuen Welt zu arbeiten. Die beiden letzten Welten hatten mich gelehrt, dass eine Zivilisation Schwierigkeiten brauchte, um gefordert zu sein. Wie weit hatten es die D’ni trotz des Lebens in den Höhlen gebracht! Dies konnte auch bei anderen Völkern möglich sein, wenn man nur die richtigen Voraussetzungen bereitstellte. Es musste das ideale Gleichgewicht zwischen Schwierigkeiten und gutem Fortkommen geschaffen werden und das war nicht einfach.
In meiner Vorstellung wuchs das Bild einer Welt, die von den Grundbedingungen her ziemlich hart und lebensfeindlich war, aber nicht wegen der Hitze, sondern wegen der kargen Vegetation. Um aber die Entwicklung einer Zivilisation zu fördern, musste es eine Besonderheit geben. Leben entstand meist an Wasserläufen; in schattigeren Gegenden war die Wärme noch besser zu ertragen und die Vegetation konnte gut gedeihen; Felsenhöhlen boten gute Wohnstätten. Jetzt wusste ich, wie ich die Sache angehen würde...
Ich ließ mir extra viel Zeit, um alles genau zu überdenken und die richtige Beschreibung für das zu finden, was am Ende da sein sollte. Das war eine der größten Schwierigkeiten der „Kunst“ und schließlich war die Welt oft nur ähnlich, aber nicht gleich. Es sind zweierlei Dinge sich etwas vorzustellen und es dann richtig zu sehen.
Diesmal sollte die Welt den Beschreibungen so stark wie möglich gleichen, aber ich musste aufpassen, dass ich mich nicht in zu starke Beschreibungen hereinsteigerte, denn dann würde das Ergebnis unwahrscheinlicher und damit nicht stabil werden.
Der Baum der Möglichkeiten hat zwar unendlich viele Äste, aber wenn sich einer zu stark ausbildete, konnte er brechen, da er im Ungleichgewicht gegenüber den anderen war.
Und so dauerte es dann ein ganzes Jahr bis ich endlich auf das fertige Buch schauen konnte. Ich machte schnell noch die kurze Abschrift in das Verbindungsbuch und packte dann meine Sachen. Dann verband ich mich zu der neuen Welt, die ich „Meygana“ genannt hatte...

Die Landschaft bestand größtenteils aus rotsandiger Wüste, mit bizarren Felsformationen, wenig Gras und knorrigen Büschen. Mitten durch diese unendliche weite zog ein Canyon, mit wunderschön gemusterten Seitenwänden, an dessen Boden sich ein Fluss hindurchschlängelte. Auf einem etwa 7 Meter breiten Streifen wuchsen saftiges Gras und kleine Bäume, auf denen leckere Früchte wuchsen. Die Seitenwände waren dort unten immer wieder von natürlich entstandenen Höhlen durchlöchert. Und auf den ersten Blick sah man, dass dort unten Leben herrschte: Fische sprangen immer wieder aus dem Fluss, um nach Insekten zu schnappen, Vögel liefen am Ufer entlang und suchten nach Würmern oder Grünzeug und kleine pelzige Tiere huschten durch das Gras. Der Planet war etwas weiter von der Sonne entfernt, sodass es immer nur angenehm warm blieb. Auch im Canyon, wo sich alles noch einmal etwas aufheizte, war es angenehm. Was mich jedoch auf den ersten Blick am meisten freute, waren die Menschen, welche die Früchte von den Bäumen holten und sich auch anderswo beschäftigten. Es gab also eine Zivilisation. Ich wusste, dass sie zufrieden sein mussten, aber ich wusste auch, dass es Monate geben würde, in denen sie es nicht einfach haben würden. Zu einer bestimmten Jahreszeit würde der Planet der Sonne um einiges näher kommen und dann würde hier Trockenheit und Hitze herrschen.
Ich war schon sehr gespannt, was mich dort erwarten würde, musste mich aber noch etwas gedulden, weil der Abstieg die Canyonwand hinunter nicht einfach werden würde. Ich holte eine Kletterausrüstung, die ich extra mitgenommen hatte, heraus, schlug einen Befestigungshaken in den Felsen, machte das Seil daran fest, zog meinen Klettergürtel an, machte das Seil wiederum daran fest, zog Handschuhe an und seilte mich dann langsam ab. Ich kam vor Anstrengung etwas ins Schwitzen und atmete schwer durch als ich endlich den Boden erreicht hatte. Hier war es merklich angenehmer als oben, wo man der Sonne vollkommen ausgeliefert war, weil die Schatten der Wände alles etwas überschatteten. Frohen Mutes machte ich mich zu der Siedlung auf...

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BeitragVerfasst: 11.11.2005 - 17:20 
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Die Menschen auf den grünen Feldern sahen von ihrer Arbeit auf, als ich auf sie zuging und sahen mich verwundert an. Ich lächelte freundlich und blieb ein kleines Stück vor ihnen stehen. Ein älterer Mann trat auf mich zu und fragte mich etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich machte ihm klar, dass ich ihn nicht verstand und er nickte und machte mir einige Gesten ihm zu folgen. Während wir weitergingen, nahmen die anderen Menschen ihre Arbeit wieder auf und ich sah mich genauer um. Die Felder wurden ausgezeichnet bewirtschaftet. Die Menschen waren alle unterschiedlich gekleidet, aber niemand hob sich besonders von dem anderen ab.
An der Wand reihten sich die vielen Löcher, die als Wohn-, Arbeits- und Lagerstätten genutzt wurden. Teilweise war ein Tunnel in die Wand getrieben worden, von wo aus sich sicher weitere Höhlen anschlossen. Der ältere Mann führte mich in einen dieser Tunnel hinein und hier erlebte ich das nächste Wunder: Der Tunnel wurde elektrisch beleuchtet! Die verschiedenfarbig gemusterten Wände glitzerten sanft. Sie enthielten sicher viele interessante Mineralien. Eine ganze Weile lang liefen wir durch den Tunnel an verschiedenen Höhlen, die alle durch schöne Holztüren versperrt wurden. Am Ende des Tunnels kamen wir zu einer größeren und schön geschmückten Tür, an welcher der alte Mann klopfte. Ein weiterer Mann, der sich in der Kleidung nicht von dem älteren Mann unterschied öffnete. Er sah uns beide erstaunt an und ließ uns dann ein. Wir betraten einen Raum, der nicht durch prächtige Einrichtungsgegenstände glänzte, sondern durch wunderschöne Säulen, einen wunderbar gemusterten Boden und eine schön gestaltete Decke. Das Licht war so geschickt eingesetzt, dass es an bestimmten Stellen einen besonderen Akzent setzte. Augen und Mund blieben mir erst mal eine ganze Weile offen stehen, bis ich merkte, dass der ältere Mann auf mich wartete.
Wir gingen weiter bis zu einem runden Tisch, an dessen Kopf im Moment nur ein Mann saß. Er war auch nicht anders gekleidet, wirkte aber auf eine unbestimmbare Weise mächtig und edel. Er sah auf und ich blickte in die klaren, blauen Augen eines Mannes, der eine derart spürbare Macht ausstrahlte, dass ich kurz zurückwich. Der ältere Mann senkte kurz den Kopf und sagte dann etwas zu dem edlen Mann. Dieser nickte und entließ den älteren Mann. Dann deutete der edle Mann auf einen Stuhl neben sich und ich setzte mich. Eine Weile sah er mich einfach nur an und ich fragte mich, was er wohl dachte. Plötzlich stand er auf und schritt zum anderen Ende des Raumes, wo sich ein großes Bücherregal befand. Er suchte ein Buch heraus, dass ziemlich dick war und brachte es an den Tisch zurück. Er schob das Buch zu mir hin und machte dann ein Zeichen: Er zeigte auf seinen Mund, sagte dann ein Wort und deutete dann auf das Buch. Ich verstand ihn sofort. Das Buch war enthielt wohl die Sprache dieses Volkes. Ich schlug das wunderschön eingeschlagene Buch auf und durchblättertes, wobei ich es mir genau anschaute. Die Buchstaben konnte ich entziffern, da es sich um eine Art hielt, die sich nur unwesentlich von einem Alphabet der Oberfläche unterschied, welche ich einst gelernt hatte. Es gab eine Erklärung für die Lautsprache, einzelne Wörter und Grammatik. Der edle Mann stand wieder auf und winkte mir, ihm zu folgen. Wir gingen aus der prächtigen Halle zurück in den Tunnel und er brachte mich in eine kleine, unbewohnte Höhle, in der aber Möbel standen. Er machte eine einladende Geste; die Höhle gehörte jetzt mir.

Am nächsten Tag klopfte es an meiner Tür und es trat ein Mann ein, der auf das Buch zeigte und dann auf seinen Mund. Jetzt hatte ich also auch einen richtigen Lehrer. Er stellte sich als Sinyan vor und zusammen mit ihm lernte ich zuerst einfache Wörter, dann einfache Sätze und so weiter. Ich musste bald feststellen, dass ich diese Sprache sehr schnell erlernte, vor allem weil die Grammatik nicht schwer war und ich sowieso gut im Sprachenlernen war. Sinyan war erstaunt über meine gute Lernfähigkeit und lobte mich oft. Nach wenigen Wochen, die ich fast ausschließlich mit dem Lernen zugebracht hatte, ging ich mit dem Buch zurück zu dem edlen Mann und gab es ihm wieder. „Vielen Dank, dass Ihr mir erlaubt habt, Eure Sprache zu lernen“, sagte ich absolut flüssig in seiner Sprache. Er lächelte mich an und sagte: „Ich wollte nicht, dass Ihr die ganze Zeit in Zeichensprache sprechen müsst, also gab ich Euch das Vachlan. Es wurde geschrieben, um allen die hohe Sprache beizubringen. Sonst reden sie nur Femlan, eine eher primitive Sprache. Wir wollen nicht, dass dadurch Verständigungsschwierigkeiten und Differenzen, wegen dem Klassenunterschied entstehen. Deswegen tragen wir alle dieselbe Kleidung. Nicht die Kleidung macht einen Menschen zu etwas Besonderem, sondern sein Charakter, so heißt es bei uns. Doch ich vergaß völlig mich vorzustellen. Mein Name ist Neyman und ich bin der Herr über dieses Volk, aber das Volk ist auch Herr über mich, da ich mich völlig in den Dienst des Volkes gestellt habe. Wir nennen diese Welt hier Meygana und das Volk die Ganii. Wir verdanken unser gutes Leben einigen wohlwollenden Naturkräften, wie der etwas weiter entfernten Sonne, dem Fluss in diesem Canyon und unsere erfinderische Art. Wir haben Strom und kennen den Nachthimmel; wir haben kühle Behausungen und große Vorratskammern für die Trockenheit; wir kennen viele Wissenschaften, wie die Chemie, die Physik, die Mathematik, die Astrologie, die Architektur und viele andere. Doch das plötzlich ein fremder Mensch hier auftaucht, verstehen wir nicht. So erzählt mir also wer Ihr seid und woher Ihr kommt.“

Und so erzählte ich ihm alles über mich, die D’ni und die Kunst. Neyman unterbrach mich nicht einmal, aber ich sah ihm an, wie erstaunt er war. Als ich geendet hatte, sah er mich lange nachdenklich an und nickte dann. „Eine äußerst interessante Wissenschaft und durchaus auch eine nützliche Gabe. Wenn in einer Welt etwas fehlt, nimmt man es aus einer anderen.“ „Ja, dafür wurden viele Welten genutzt. Andere galten eher als Erholungsorte und manche, in denen andere Völker lebten wurden erobert und die Völker unterworfen und versklavt. Noch heute gibt es Dinge, die wir nicht über die D’ni wissen, aber leider sind in letzter Zeit viele schlechte Sachen hervorgekommen.“ Traurig schüttelte ich den Kopf, während ich an die Ausnutzung der Bahro oder anderer Völker dachte.
Neyman schwieg wieder eine Weile, ehe er sich räusperte und sagte: „Nun es wird Euch sicher interessieren mehr über mein Volk zu lernen, Hitana. Ich werde Euch einen Begleiter mitgeben, der Euch alles zeigen soll. Ich denke dafür wird sich der Sohn meines Ministers Eian gut eignen. Er wird Euch gefallen. Er heißt Nehemiah und ist sehr klug. Ich werde ihn morgen früh zu Euch schicken und dann könnt Ihr euch soviel Zeit nehmen, wie ihr wollt. Geht jetzt am Besten schlafen, damit Ihr morgen ausgeruht seid!“ ...

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Als ich mich am nächsten Tag gerade anzog, klopfte es an meiner Tür und mein neuer Begleiter, Nehemiah rief: „Hitana? Hier ist Nehemiah!“ „Einen Moment, ich komme gleich!“, rief ich zurück.
Ich richtete noch schnell meine neue Kleidung, die genauso aussah, wie die der anderen Leute hier, dann öffnete ich die Tür und begrüßte den jungen Mann vor mir lächelnd. Nehemiah war etwas größer als ich, schlank, aber nicht schlaksig, hatte ein kluges Gesicht, schulterlanges braunes Haar und grünbraune Augen. Er lächelte mich ebenfalls an und fragte: „Wo möchtet Ihr zuerst hin?“ „Zuerst möchte ich, dass du mich duzt. Wenn wir das erledigt haben, möchte ich gerne einfach erst einmal einen Rundgang durch euer Reich machen.“ Er sah mich etwas erstaunt an und sagte dann: „Also, dann folge mir Hitana.“
Während unserem Rundgang wurde mir klar, wie groß das Reich der Ganii sein musste. Alleine in dem Tunnel, der zu dem Saal von Neyman führte, gab es bestimmt über fünfzig Höhlen für die unterschiedlichsten Familien. Nehemiah erklärte mir, dass jede Familie nur zwei Kinder haben durfte, weil man sich nie sicher sein konnte, ob die Vorräte während der Dürre für alle reichen würden. Im Moment war das noch kein Problem, wie auch ich festgestellt hatte. Das Essen, welches eine junge Frau mir immer brachte war reichhaltig, ausgefallen und äußerst schmackhaft.
Die Früchte, das Gemüse und das Getreide hatten alle andere Namen, sahen anders aus und wurden anders zubereitet, dennoch erinnerten mich viele Geschmäcke an andere Dinge, die ich bereits gegessen hatte.
Von der Ausstattung her waren die Räume nur durch die schönen Gewölbe und Böden geschmückt. Jeder besaß solche Ausschmückungen, der einzige Unterschied war, dass jeder andere Farben und Muster benutzte. Da keine Familie an Armut leiden musste, war jede Ausschmückung edel und beeindruckend. Die Möbelausstattung hing davon ab, wie viel jede Familie brauchte und ich staunte immer wieder über die schön geschnitzten Möbel aus feinstem Holz. Ich wusste ja, dass es am Rande der Schlucht, dort wo der Fluss entsprang, einen großen Wald gab. Ich hoffte, dass es nicht allzu sehr verschwendet wurde, da es ein begrenzter Rohstoff war.
Gebrauchsgegenstände waren aus den unterschiedlichsten Materialien gemacht, je nachdem wofür man sie gebrauchte. Vor allem staunte ich über die schön gearbeiteten Dinge aus Eisen, Kupfer, Zinn und Silber. Auch davon war genug vorhanden, solange man sie nicht verschwendete.
Auch hier besaß jede Familie solche Stücke, die hier als nicht viel wertvoller galten, als die anderen Ausschmückungen. Unter den Gebrauchgegenständen war alles vorhanden, was man sich für einen guten Haushalt wünschen konnte. Kein Wunder, dass die Menschen hier so vielfältige Gerichte zubereiten konnten.
Den ganzen Tag lang kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mein Traum von einer zivilisierten, klugen, umsichtigen und erfindungsreichen Gesellschaft hatte sich erfüllt!
Das gesamte Reich zählte 500 Behausungen und Nehemiah sagte, dass über 1000 Menschen insgesamt hier lebten.
Andere Tunnel enthielten Werkstätten, Labore, nahrungsverarbeitende Betriebe und die riesigen Vorratskammern. Am Rande der Siedlung befanden sich die Bergwerke, Holzfällerbetriebe und Sägewerke. Solche Betriebe wollte ich erst in den nächsten Tagen besichtigen. Nach so vielen erstaunlichen Dingen war ich ziemlich müde und viel am späten Abend völlig erschöpft in mein Bett...

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Einige Tage später, die ich einfach nur damit verbracht hatte mich umzusehen, stand ich morgens als noch alle anderen schliefen auf und ging nach draußen. Es war noch vor Sonnenaufgang und ich wollte den Canyon einmal in seiner ganzen Schönheit und Stille sehen. Es war noch ziemlich kühl und eine dünne Schicht von Tau überzog die Pflanzen auf den Feldern. Der Boden wurde ziemlich stark bewirtschaftet. Ich nahm mir vor, unbedingt einmal zu schauen wie nahrhaft der Boden war und ob er nicht etwas entlastet werden müsse.
Ich lief am Fluss entlang und beobachtete die Tiere, welche ein Stück von mir entfernt fraßen und tranken, bevor sie sich in die ruhigeren und sicheren Gefilde des Waldes zurückzogen. Ich fragte mich, wie der Tierbestand hier wohl war und überlegte, ob es nicht besser wäre einige Tiere zu fangen, zu zähmen und dann zu züchten, um so die Artenvielfalt aufrechtzuerhalten. Bisher hielten die Ganii nur Nutztiere, wie die Bolvan, deren Milch und Fell benutzt wurden, die Derko, deren wolliges Fell für Kleidung verwendet wurde und die Reftil, die als Lasttiere genutzt wurden.
Mein Weg führte auch zu dem Wald, dem man ansah, dass ziemlich viele Bäume geschlagen wurden. Hier fragte ich mich ebenfalls, ob der Wald ausreichen würde.
Papier wurde schnell und gut in einer Papiermühle hergestellt, aber es mussten viele Bäume dafür verbraucht werden. Wiederverwertung des Papiers und eine Aufforstung des Waldes konnten helfen.
Dann kehrte ich um und schlug den Weg in Richtung der Minen ein. Ich ging vorbei an den unzähligen Tunneln, die in den Felsen geschlagen worden waren und den Felsen stark zerlöcherten. Einige Minen waren bereits wieder aufgegeben worden, weil sie nicht genug Ertrag brachten, aber über vielen anderen standen die Schilder, auf denen stand was es für eine Mine war. Auch hier fragte ich mich, wie viel Vorkommen es gab und wie schnell sie bei dem großen Verbrauch aufgebracht sein würden.
Als ich die Wohnungen der Ganii gesehen hatte, hatte ich sofort gewusst, dass sie etwas verschwenderisch waren. Es hielt sich aber noch so weit in Grenzen, dass ich Chancen sah ihnen unter die Arme zu greifen und die Verschwendung zu stoppen, wenn die Ganii meine Vorschläge berücksichtigen würden. Ich würde später Nehemiah fragen, ob er mir die Angaben der verschiedenen Betriebe besorgen konnte und ihm meine Vorschläge unterbreiten.
Jetzt aber drehte ich mich um und wartete bis die Sonne aufging. Sie schaute eben über dem Horizont hervor und tauchte alles in ein rosiges, rötliches und oranges Licht. Die Felsen des Canyons schienen dieses Licht in sich aufzunehmen und in wunderschönen Farben wieder auszustrahlen. Die Musterung bekam ganz neue, zauberhafte Farben und die Mineralien begannen zu glitzern. Am Boden nahm der Tau das Licht auf und reflektierte es in den Farben des Regenbogens. Als dann die Sonne höher stieg und ihre Strahlen langsam den gesamten Canyon erhellten, glaubte ich ein Singen zu hören, dass von der Erde ausging, die darüber jubelliierte das die Sonne zurückgekehrt war und allem wieder Leben gab. Der Moment dauerte nur kurze Zeit an, dann verstummte der Gesang und wurde von den ersten Gesprächen der Bauern abgelöst, die aus den Höhlen kamen.
Sie waren ebenfalls früh aufgestanden, hatten gefrühstückt und gingen nun an die Arbeit. Wie alle anderen dieser Gesellschaft wussten sie um den Wert ihrer Stellung und wurden deswegen nicht weniger als ein Minister geschätzt. Das war eines der Prinzipien der Ganii. Es bestand kein Grund jemanden, der für die Versorgung eines ganzen Reiches zuständig war, mit Füßen zu treten. Diese Denkweise gefiel mir sehr, aber in anderen Bereichen mussten die Ganii ihre Denkweise noch ändern.

Ich kehrte in meine Behausung zurück und fand das Frühstück bereits vor. Wenige Zeit später kam auch Nehemiah. „Guten Morgen, Hitana. Wo möchtest du heute hin?“ „Guten Morgen, Nehemiah. Ich bin heute schon früher aufgestanden, habe mich etwas umgesehen und mir einige Gedanken gemacht. Die Ganii sind ein wirklich großartiges, reiches Volk, aber genau das könnte zu einem Problem werden. Ihr verschwendet eure natürlichen Ressourcen zu sehr, aber ich kenne einen Weg um euch dabei zu helfen.“ Nehemiah sah mich erstaunt und auch etwas beleidigt an und fragte: „Verschwenderisch? Hmm, darauf bin ich noch nie gekommen. Kannst du mir Beweise geben?“ „Ich denke ja, aber dabei brauche ich auch deine Hilfe. Kannst du mir die Angaben aller Betriebe aushändigen? Dann werde ich dir zeigen, wo ihr zuviel tut und wie das verhindert werden kann. Ihr wollt doch schließlich nicht eines Tages ohne die wichtigen Rohstoffe dastehen. Ich kenne viele Welten, Nehemiah. Ich weiß was geschieht, wenn man die Rohstoffe zu sehr verschwendet.“ „Warum schreibst du dann nicht einfach eine neue Welt, aus der wir Rohstoffe beziehen können?“ „Das hättet ihr wohl gerne! Es wäre natürlich die Einfachste und Bequemste Variante für euch. Aber da werde ich nicht mitmachen! Ihr sollt lernen eure Umwelt zu respektieren und zu schützen und nicht einfach in die nächste übersiedeln und diese ausplündern!“ Er sah mich erstaunt an, weil ich ihn zum ersten Mal so angegriffen hatte, dann aber senkte er den Kopf. „Wahrscheinlich hast du Recht. Wir haben bisher nie Not leiden müssen und daher wissen wir nicht, was wir tun. Ich werde die Angaben der Betriebe heraussuchen und dich zu den Betrieben begleiten. Ich kann dir jedoch nicht garantieren, dass die Minister und der König deine Vorschläge annehmen werden. Nicht alle werden so einsichtig sein wie ich.“ Ich nickte und schweigend verließen wir meine Behausung und gingen ins Archiv, wo alle wichtigen Dinge aufbewahrt wurden. Reihe auf Reihe folgte ein Bücherregal dem anderen und sie alle enthielten Bücher über die verschiedensten Dinge. Von den Chroniken der Ganii, über die Forschungsberichte der Wissenschaftler bis hin zu den Berichten der Betriebe war alles vorhanden. Nehemiah ging an den Regalen für die Betriebsberichte entlang, bis er beim aktuellsten Datum angekommen war. „Das sind die bisherigen Berichte für dieses Jahr. Ich kann dir von jedem Betrieb den Jahresbericht des letzten Jahres geben. Da kannst du am Besten sehen, wie ihre Stände sind.“ Er reichte mir die Hälfte der mitteldicken Bücher und nahm die andere Hälfte. Dann verließen wir das Archiv wieder und gingen zurück in meine Behausung, wo wir die Bücher abluden. „Ich werde mir jetzt die Bücher ansehen und mir notieren, was mir nicht gefällt. Ich hole dich, wenn ich fertig bin. Dann werden wir die Betriebe aufsuchen, damit ich mir alles vor Ort ansehen kann,“ sagte ich. Nehemiah nickte und verließ den Raum. Kaum war er gegangen, beugte ich mich über das erste Buch und begann es durchzusehen...

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Es dauerte mehrere Tage ehe ich zu Nehemiah ging, um ihm mitzuteilen, dass ich alle Bücher durchgesehen und viele Dinge gefunden hatte, die nicht so sein sollten. Ich hatte mir auf einen kleinen Block über jeden Betrieb Notizen gemacht und wollte mir die Arbeit der Betriebe jetzt genauer ansehen. Zuerst gingen wir zu den Feldern. Ich holte meine Bodenuntersuchungsgeräte heraus, die ich als erfahrene Geologin immer dabei hatte. Dann maß ich die Fruchtbarkeit des Bodens und fand meine Vermutungen bestätigt. Der Boden wurde überbewirtschaftet und ich schrieb mir gleich den Vorschlag auf, einige Felder brach liegen zu lassen damit sie sich erholten. Dann schaute ich mir die Wasserqualität und die Fischgründe an und notierte mir, dass Fischzuchten aufgezogen werden mussten.
Als nächstes gingen wir in Richtung Wald und schauten uns die Wildbestände und Baumbestände an. Auch hier notierte ich mir, dass Tierzuchten, selektiver Kahlschlag und Baumschulen aufgezogen werden mussten. Zuletzt suchten wir die Bergwerke auf und auch dort sah ich, dass viel zu viel verbraucht wurde.
Doch um all das einzudämmen, mussten vor allem die Ganii lernen mit weniger als früher auszukommen. Ich konnte nur hoffen, dass meine Vorschläge vor dem König und den Ministern Gehör und Verständnis finden würden.
Den ganzen Tag über hatten wir kaum ein Wort gesprochen, sondern nur unsere Arbeit getan. Ich hatte Nehemiah gezeigt, wo zuviel verschwendet wurde und er hatte es sich verständnisvoll und auch etwas erschrocken angesehen. Hier ging mir zum ersten Mal auf, dass die Ganii wirklich keine Ahnung hatten, was sie mit ihrer verschwenderischen Art anrichteten. Er aber war sofort einsichtig und das gab mir Hoffnung, dass es bei den anderen auch so sein würde. Sicher, die Zukunft würde vielleicht nicht einfach für die Ganii werden, aber mit Nehemiahs Unterstützung würde es einfacher werden ihnen den richtigen Weg zu zeigen.
Er erklärte sich bereit mit seinem Vater darüber zu reden und eine Versammlung einzuberufen, bei der über das Thema gesprochen werden sollte. Ich hoffte die Minister würden sich bereit erklären, mit mir Verhandlungen aufzunehmen aus denen neue Gesetze entstehen konnten. Man hatte mich zwar freundlich aufgenommen, aber vielleicht wäre eine Einmischung in die Politik doch zuviel. So wurde ich auch immer unruhiger, als Nehemiahs Verhandlungen mit den Ministern mehrere Stunden zu dauern begannen. Bald war es so spät, dass ich nicht mehr daran glaubte, er würde noch kommen. So legte ich mich also hin, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich nicht würde schlafen können.
Am nächsten Morgen wachte ich völlig zerschlagen von einem aufgeregten Klopfen an der Tür auf und zog mir schnell etwas über ehe ich öffnete. Vor mir stand ein ziemlich müde aussehender Nehemiah, dessen Gesicht aber durch die Aufregung über irgendetwas leuchtete. „Die Minister haben sich bereit erklärt die Verhandlungen mit uns aufzunehmen“, sagte er hastig. Ich sah ihn mit großen Augen und strahlendem Gesicht an, dann stieß ich einen kleinen Freudenschrei aus und umarmte ihn stürmisch. Überrascht drückte er mich kurz ehe er wieder losließ. „Warum hat das so lange gedauert?!“, fragte ich dann. „Wir haben stundenlang darüber diskutiert, ob du in unsere Politik eingreifen darfst. Dann habe ich ihnen erklärt, was du mir gezeigt hast und was daraus resultiert. Ich habe ihnen einige Beispiele gezeigt und sie waren auch sehr erstaunt. Dann habe ich ihnen gesagt, dass du genau weißt wie man diese Probleme bekämpfen kann und deswegen an den Verhandlungen teilnehmen dürftest. Da mussten sie mir recht geben!“ Wir lächelten einander glücklich an. „Wann soll es denn losgehen?“, fragte ich. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen und ich war voller Tatendrang. „Heute noch, wenn du möchtest. Im Moment haben die Minister nicht allzu viel zu tun. Wir können also sofort loslegen.“ Ich nickte heftig und sagte: „Ich muss nur noch frühstücken und meine Ergebnisse und Beweise zusammentragen, dann kann es losgehen.“ Er lächelte über meine Gehetztheit, während ich das Frühstück in mich hineinstopfte und danach durch meine Behausung huschte und die vielen Blätter sammelte.
Dann machten wir uns auf den Weg zu den ehrwürdigen Hallen des Königs und der Minister. Tatsächlich waren schon viele der Minister an dem Verhandlungstisch und unterhielten sich leise. Alle sahen auf, als wir den Raum betraten und viele musterten mich ziemlich eingehend. Viele hatten mich ja noch nie gesehen, sondern nur von der Fremden aus der anderen Welt gehört. Ich fragte mich, was sie wohl dachten und hoffte die Verhandlungen würden nicht allzu hart werden.
Ein Bote wurde losgeschickt, um die fehlenden Männer zu holen, während wir uns ebenfalls an den Tisch setzten. Ich war zwar eine erfahrene Frau, aber der Umstand nur von Männern umgeben zu sein, in einer Gesellschaft in deren Politik Frauen nichts zu suchen hatten, ließ mir doch etwas mulmig zumute werden. Die Unterhaltungen waren alle verstummt und die Minister starrten alle finster vor sich hin. Sie waren zwar mit Nehemiahs Bitte einverstanden gewesen, aber dennoch nicht besonders glücklich darüber. Endlich hatten alle sich eingefunden und als schließlich der König den Raum betrat, erhoben wir uns alle, grüßten ihn und begannen mit den Verhandlungen.
„Wir haben uns heute hier versammelt, um über starke Veränderungen in unserer Wirtschaftspolitik zu verhandeln. Die Vorschläge für diese Veränderungen hat uns die Weltenreisende Hitana vorgebracht. Nehemiah hat sich ihren Vorschlägen angeschlossen und steht auf ihrer Seite. Alle anderen möchte ich bitten, möglichst objektiv über die Vorschläge zu urteilen und dabei die Gefahren zu beachten, die von ihr prophezeit und angeblich auch bewiesen werden können. Bitte erörtert uns, was ihr denkt, Hitana!“, sprach der König als Vorsitzender der Verhandlungen und nickte mir zu. Ich nickte ebenfalls und begann. „Hoher König, geehrte Minister, ich bin eine Weltenreisende und habe daher schon viele Dinge erlebt und gesehen. Ich kann nicht von mir behaupten genau zu wissen, wie ein Land bewirtschaftet werden sollte und wie nicht, da ich selbst nie in der Wirtschaft war. Ich kann aber durch meine Erfahrung in den vielen Welten sagen, wann eine Gesellschaft ihr Land überbewirtschaftet. Ich selbst komme aus einer Welt, in der die Rohstoffe zu stark verbraucht werden und wo es bereits Kriege um Rohstoffe gab. Ich möchte nicht, dass dies auch in anderen Welten geschieht. Darum habe ich auch sofort Nehemiah darauf angesprochen, dass die Ganii ihre Rohstoffe zu stark verbrauchen. Um es drastisch auszudrücken: Ihr verschwendet das wenige, was ihr habt für eure Gebrauchsgegenstände. Dabei wäre das nicht unbedingt nötig. Ich möchte aber nicht nur euren Lebensstil angreifen, sondern euch zeigen, wie ihr einerseits euren Gebrauch einschränken und andererseits für ein Nachwachsen der nachwachsenden Rohstoffe sorgen könnt. Eines will ich euch gleich zu Anfang sagen: Ihr wisst, dass ich eine Verbindung zu eurer Welt aufgebaut habe, indem ich mithilfe der Kunst ein Buch geschrieben habe. Ich werde es euch nicht so einfach machen, eine Welt für euch zu schreiben, die ihr dann wiederum ausbeuten könnt. Dies hier ist die einzige Welt, die ihr habt. Überlegt euch gut, was ihr mit ihr macht!“ ...

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BeitragVerfasst: 26.11.2005 - 17:41 
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„Fangen wir also bei euren Problemen an: Ihr habt zwar dank des Flusses hier im Canyon sehr fruchtbare Erde, aber ihr überbewirtschaftet sie. Eure Lager sind voll genug und Hungersnöte musstet ihr nie erleiden. Eure Bevölkerung hält sich in Grenzen, also sehe ich keinen Grund warum ihr nicht einige Felder brach liegen lassen könnt, damit sie sich erholen. Am Besten ihr fangt bald damit an und nehmt Felder von deren Früchten ihr genug habt. Kommen wir als nächstes zu den Fischgründen. Ihr solltet besser selbst Fischzuchten aufziehen, damit der Fluss nicht bald leer gefischt ist. So helft ihr der Natur zu einem guten Gleichgewicht und tragt auch zu ihrer Erholung bei. Des weiteren müsst ihr euch um eure Baumbestände und das Wild kümmern. Ihr solltet von allen Wildtieren, die ihr braucht ein oder zwei Männchen und Weibchen fangen und sie dann in Gefangenschaft halten. Dort könnt ihr sie auch mästen, so dass sie schön fett werden. Bei den Bäumen würde ich vorschlagen, den Wald wieder aufzuforsten, indem ihr Baumschulen anlegt und außerdem werde ich mir überlegen wie wir eine Papierwiederaufbereitungsanlage bauen können. Dann solltet ihr nur noch Bäume fällen, die auch gefällt werden müssen. Ihr sollt nicht wahllos drauflos hacken, sondern nur diejenigen auswählen, die andere beim Wachsen stören oder alt sind. Zuletzt kommen wir zu den Bergwerken. Hier gibt es keine Möglichkeit die Mineralien wieder kommen zu lassen. Das einzige was ihr tun könnt, ist weniger Mineralien und Erze zu benutzen. Bei allen diesen Dingen kann ich euch versichern, dass sie verschwinden und nie wieder kommen werden, wenn ihr nicht etwas dagegen tut. Wartet nicht bis es soweit ist, sondern tut jetzt etwas. Wie ihr seht ist es nicht sehr mühevoll und die einzige Einbuße wird ein leichter Verzicht auf gewisse Dinge sein.
Denkt darüber nach.“ Damit setzte ich mich wieder hin und atmete tief durch. Die Minister tuschelten leise miteinander. Dann erhob sich der König wieder und sagte: „Wir haben eure Worte gehört und werden uns nun untereinander beraten. Bis zur Beendigung unserer Beratungen dürft ihr euch zurückziehen.“ Nehemiah und ich nickten, erhoben und verbeugten uns und verließen den Saal.
Um mich von den Verhandlungen abzulenken, lud Nehemiah mich zu seiner Familie ein. Die Behausung war nicht anders als alle anderen; nur das Mosaik auf dem eine Darstellung der Arbeiten am Fluss gezeigt wurde, war einmalig. Nehemiah hatte noch einen kleinen Bruder im Alter von sechs Jahren, der mich mit großen Augen ansah und dann zu seiner Mutter herüber rannte. Sie war eine etwa vierzigjährige Frau, mit der gleichen Augenfarbe wie Nehemiah, aber blonden Haaren. Sie lächelte mich grüßend an und sagte: „Ihr müsst Hitana sein. Nehemiah hat uns schon viel von euch erzählt. Mein Name ist Aneela. Seid unser Gast heute Abend und speist mit uns.“ „Vielen Dank Aneela. Wie heißt der kleine dort?“ „Sein Name ist Koro.“ Ich lächelte Koro freundlich an und der Kleine kam vorsichtig näher. Ich zog einen kleinen Stein, den ich von einer Tour aus den Bergen meiner Heimat mitgenommen hatte heraus und hielt ihn dem Kleinen hin. Der kam noch näher, griff sich schnell den Stein und ging dann wieder ein Stück weg, während er den Stein begutachtete. Es war ein wunderschöner in den Regenbogenfarben schimmernder Zolgonit. Der Kleine drehte und wendete ihn und strahlte vor Freude, als er sah, wie er aufleuchtete. Er trippelte zu seiner Mutter herüber und zeigte ihr den Stein. Sie sah ihn an und lächelte. „Der ist wirklich wunderschön. Vielen Dank, Hitana.“ Ich lächelte wieder und dann setzten wir uns an den Tisch und Aneela begann das Essen aufzutischen. Es gab Tsogul, einen Fisch, der mit Plentiswurzeln gefüllt wurde, dann Engrarbraten mit Reglan, Biglo und Fuki und zum Nachtisch Digdambrei, der unglaublich süß war. Es schmeckte alles ausgezeichnet. Was das betraf konnte ich die Ganii verstehen: Sie waren zwar verschwenderisch, aber sie verstanden es ihr Leben in vollen Zügen zu genießen.
Als ich später mit Koro spielte und mich mit Aneela und Nehemiah unterhielt, waren tatsächlich alle Sorgen weggeblasen. Ich erzählte von meinen Abenteuern in den vielen Welten und von meiner Heimat. Es war wirklich wunderbar. Als ich am späten Abend die Behausung verließ, war ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Nehemiah verabschiedete mich an der Tür zu meiner Behausung mit einem Lächeln.
Am nächsten Tag war ich aber wieder früh auf und aufgeregt über das Ergebnis der Beratungen. Doch erst zum Mittag kam der Bote mit der Nachricht, dass die Beratung zu Ende war und wir wieder in den Saal kommen sollten. Gespannt machten wir uns auf den Weg und begrüßten dann im Saal die anderen. Der König erhob sich und sprach: „Ich, König Neyman und meine Minister haben uns über die Veränderungen unserer Wirtschaft und damit auch unser Lebensweise, vorgeschlagen durch die Weltenreisende Hitana, beraten. Wir haben uns ihre Beweismaterialien noch einmal genau angesehen und sind uns darüber einig geworden, dass Hitana mit ihren Behauptungen Recht haben könnte. Aus diesem Grund ziehen wir es vor ihren Ratschlägen zu folgen, anstatt eines Tages ohne all die wichtigen Rohstoffe dazustehen. Wir werden von nun an unser Bestes geben um nicht mehr so verschwenderisch zu sein.“ Ich hätte am liebsten laut aufgeschrieen vor lauter Glück, doch ich hielt mich zurück und lächelte stattdessen nur. Dann erhob ich mich und sagte: „Ich danke euch und versichere euch, dass ihr die richtige Entscheidung getroffen habt. Ich möchte am liebsten sofort anfangen. Ihr habt die Vorschläge, die ich euch gemacht habe da und sollt sie jetzt umsetzen. Ich werde euch dabei helfen, aber ihr müsst als Führende eures Volkes den ersten Schritt machen.“

Etwa fünf Monate später lief ich glücklich durch die Siedlung und sah mir die Fortschritte an. Die Felder auf denen die Lenganpflanzen gewachsen waren, lagen jetzt brach, da der Vorrat dieser Pflanze noch bis weit in das nächste Jahr hineinreichte. Die Bauern, die dadurch mehr Zeit hatten, wurden jetzt damit beschäftigt die gefangenen Wildtiere zu füttern und zu schauen, ob sie alle gesund waren. Im Fluss waren Areale für die Fischzucht abgesteckt und mit undurchdringlichen Netzen im Wasser abgegrenzt worden. Andere freie Bauern, aber auch Hausfrauen, die nichts zu tun hatten, gaben den Fischen Nahrung und kontrollierten immer wieder die Bestände. Im Wald waren die Holzfäller gerade damit beschäftigt die Triebe der neuen Bäume zu bewässern. Andere hatten die Bäume markiert, welche geschlagen werden konnten. Neben der Papiermühle stand eine etwas veränderte mit der man aus Papiermüll neues Papier machen konnte. Die Leute waren bisher sehr zufrieden mit dem Resultat. Als letztes besuchte ich die Bergwerke, die jetzt zeitweise still standen. Die Arbeiter konnten auch an anderen Stellen eingesetzt werden, denn viele Mineralien und Erze wurden nicht mehr gebraucht. Die Leute waren mit einer strengen Auflage beladen: Familien durften nicht mehr als eine bestimmte Anzahl an Gegenständen aus Silber, Gold oder Kupfer haben. Neu gegründete Familien bekamen die Überzahl dieser Gegenstände und die Eltern waren dazu verpflichtet, ihren Kindern ihre Gegenstände beim Tod zu vererben. Bisher hatte sich noch niemand beschwert, weil ganz klar gesagt worden war, was geschah wenn sie weiter so verschwenderisch lebten. Alles ging einen guten Gang und ich sah, dass ich etwas gutes geleistet hatte und dem Volk bei seiner Weiterentwicklung geholfen hatte. Vielleicht konnte ich es später wagen, weitere Erfindungen einzubringen, aber ich würde natürlich immer vorsichtig sein bevor ich den Ganii etwas gab, dass sie vielleicht zu den falschen Zwecken verwenden würden oder aus dem sie die falschen Ideen schließen konnten. Doch endlich hatte ich ein Volk mit hohem Potenzial gefunden, dass sich durchaus noch weiter entwickeln konnte, wenn die Minister gewillt sein würden, weitere Vorschläge anzunehmen.

Doch ich hatte auch einen klugen und netten Gefährten gefunden, denn das Nehemiah in der letzten Zeit für mich geworden. Er hatte mir wirklich sehr geholfen, damit alles so wurde wie es jetzt war. Ich war öfter bei ihm zu Hause gewesen und hatte wirklich eine schöne Zeit mit ihm gehabt. Heute wollte ich ihn fragen, ob er mich begleiten wolle um mit mir durch alle meine Welten zu reisen. „Hallo Nehemiah. Wie geht es dir heute?“ „Ausgezeichnet. Unsere Sache macht gute Fortschritte. Die Ganii schaffen es jetzt schon alleine.“ „Genau deswegen komme ich zu dir. Die Ganii brauchen meine Hilfe fürs Erste nicht mehr. Ich möchte wieder zurück in mein Relto und dann alle meine Welten einmal wieder besuchen. Viele habe ich schon lange nicht mehr gesehen und mache Dinge noch immer nicht geklärt.“ „Du willst gehen?“ „Ja, aber ich hatte nicht vor alleine zu gehen. Ich möchte, dass du mich begleitest. Du hast einmal gesagt, wie sehr du dir wünschst meine Welten einmal mit eigenen Augen zu sehen und diesen Wunsch möchte ich dir erfüllen.“ „Das würdest du wirklich tun? Ach, das wäre ja wunderbar! Ich komme gerne mit, aber zuerst muss ich meinen Vater fragen, ob er mich entbehren kann.“ Ich lächelte über seine Freude und sagte: „Wunderbar. Ich werde dich viele Dinge schulen, weil ich glaube, dass du sehr großes Potenzial hast.“ Er lächelte verlegen und machte sich dann auf die Suche nach seinem Vater. Kurze Zeit später kam er mit strahlendem Gesicht zurück und sagte: „Von mir aus kann es losgehen!“ ...

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